101 Nacht: Aus dem Arabischen erstmals ins Deutsche übertragen von Claudia Ott nach der Handschrift des Aga Khan Museums (German Edition)
dem strahlenden Vollmond.
Als nun die Mädchen hineingegangen waren und sich niedergelassen hatten, schickte König Namarîk zu dem Scheich. Der ergriff Suleimans Hand, und gemeinsam traten sie zum König hinein und grüßten ihn.
«Hast du Neuigkeiten von Suleiman Ibn Abdalmalik?», wollte der König von Bâsit al-Liwâ wissen, und der Alte antwortete : «Dieser junge Mann hier weiß mehr und ist besser unterrichtet als ich.»
«W ie steht er zu dir?», wollte der König wissen.
«Er ist der Sohn meines Onkels und kommt aus der Familie meines Vaters», gab er an.
«W ie heißt er denn?», erkundigte sich der König, und der Alte entgegnete: «Asad Ibn Âmir.»
Nun wandte sich der König an Suleiman Ibn Abdalmalik und fragte ihn: «W o hast du Suleiman Ibn Abdalmalik zuletzt gesehen?»
«Ich habe ihn im Tal der Schilde zurückgelassen», lautete seine Antwort, «er war mit einer gewaltigen Armee, die eine Staubwolke hinter sich herzieht, unterwegs in dein Land!»
Der König forderte den Scheich auf , Platz zu nehmen, und ließ Speisen und Getränke vor den beiden Männern auftragen. Als aber der Alte gerade für ein kurzes Weilchen hinausgegangen war, erschien mit einem Mal ein Recke, ergriff Suleiman und herrschte ihn an: «W ie kannst du den König anlügen? Du bist doch selbst Suleiman Ibn Abdalmalik!»
Als Suleiman das hörte , geriet er in Verwirrung. Er wusste nicht, was er tun sollte, und ihm fiel auch keine Antwort ein.
An dieser Stelle unterbrach das Morgengrauen Schahrasad , und sie verstummte. Der König erhob sich, entzückt von ihrer spannenden Geschichte, verschloss die Tür, versiegelte sie mit seinem Siegel und begab sich in seine Regierungsgemächer.
Die vierunddreißigste Nacht
Er spricht:
Und in der folgenden Nacht kam der König, brach das Siegel auf und schlief mit dem Mädchen bis zu der bewussten Zeit.
Da rief ihre Schwester Danisad ihr zu: ~ Ach, meine Schwester! Ach, Schahrasad, erzähle doch unserem Herrn, dem König, deine schönen Geschichten!
~ Einverstanden, erwiderte sie. ~ Und so, mein Gebieter, geht die Geschichte weiter:
Der Recke nahm seinen Schleier vom Gesicht, und siehe da: Es war Abdallah al-Battâl. «Na, wie findest du das?», sprach er zu Suleiman und sagte dann: «Geh mit dem Alten in sein Zelt.» Das Zelt des Alten aber war von weißer Seide.
Sobald der junge Mann das Zelt betreten hatte , kam ein Bote des Mädchens Kamar al-Asrâr auf ihn zu. Der Bote wandte sich an Scheich Bâsit al-Liwâ. «W o ist dein Cousin?», wollte er wissen.
«Er ist hier bei mir», gab der Alte zurück.
«Die Herrin lädt ihn zu sich ein», meldete der Bote. «Er soll ihr von Suleiman Ibn Abdalmalik berichten.»
«Gewiss», entgegnete der Alte, und, zu Suleiman gewandt, sagte er: «Folge dem Boten, mein Herr.»
Und so ging Suleiman mit ihm.
Die beiden traten zu dem Mädchen herein , und er grüßte sie.
Sie aber wusste nicht, dass er Suleiman war. «W ie ist dein Name?», erkundigte sie sich.
«Asad Ibn Âmir», entgegnete er.
«Hast du Suleiman gesehen?», wollte sie wissen.
«Ja», war seine Antwort.
«Beschreibe ihn mir», bat sie, «und zwar so deutlich, als ob ich ihn hier vor mir sähe.»
«Er hat diese und jene Eigenschaften», sagte er und fügte hinzu: «Er sieht mir sehr ähnlich, ja, es gibt kaum einen Menschen auf der Welt, der mir ähnlicher sieht als er.»
Da ließ sie Speisen und Getränke vor ihm auftragen, und die beiden aßen, bis sie völlig gesättigt waren. «Nun geh», sagte das Mädchen . «Du musst dich etwas ausruhen.»
Also trollte sich Suleiman.
Am nächsten Morgen schickte das Mädchen nach ihm. Als sie beide bei ihr eingetreten waren, verlangte sie wieder dasselbe: «Asad», forderte sie ihn auf, «erzähle mir von Suleiman und beschreibe mir, von welcher Wesensart er ist.»
«Er hat diese und jene Eigenschaften und ist überhaupt der tapferste Ritter seiner Zeit!», sagte er.
«W illst du mir etwa mit Suleiman drohen?», gab sie zurück und fuhr fort: «Ich schwöre bei allem, worauf Edelleute schwören: Ich werde ihm einen Kampf liefern, von dem selbst ein schwarz gelocktes Mädchen graue Haare bekäme!»
Hierauf ließ sie Speisen und Getränke vor ihm auftragen. So saß er gerade bei dem Mädchen – wobei sie hinter einem Vorhang verborgen war – , als sie plötzlich einen gewaltigen Lärm vernahm. «W as hat das zu bedeuten?», rief sie.
Im selben Augenblick kam eine ihrer Dienerinnen zu ihr hereingestürzt. «Hilfe, Hilfe!»,
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