1011 - Laurins Totenwelt
das kaum die letzte Stufe der Stiege erreichte, erst recht nicht Bills Ohren.
Ein dumpfer Laut über ihr. Ein Aufprall. Abgegeben von einem schweren Gegenstand, der zu Boden gefallen war.
Ein Körper?
Wenn ja, so dachte Sheila, dann konnte es nur Bill gewesen sein.
Dann war ihm etwas passiert. Dann war er trotz aller Vorsicht in die Falle gelaufen.
Sheila wußte nicht, was sie unternehmen sollte. Weglaufen?
Bleiben und abwarten?
Sekunden verstrichen, in denen sie noch keine Entscheidung getroffen hatte. Aber sie schaute auf der Stiege hoch und spürte auch, daß sich durch die unnatürliche Haltung ihres Kopfes die Halsmuskeln verkrampft hatten.
Sheila Conolly war eine Frau, die mit beiden Beinen im Leben stand. Sie gab auch so leicht nicht auf. Dazu hatte sie schon zuviel erlebt. Und sie gehörte nicht zu den Personen, die andere im Stich ließen.
Auch wenn es ihr schwerfiel und sie eine beklemmende Furcht überkommen hatte, sie würde die Stiege hochgehen, hinein in die Stille des Dachbodens, und nach ihrem Mann schauen. Das war sie ihm einfach schuldig!
Jeder Schritt über die Holzstufen war für die Frau eine Belastung.
Sheila hätte sich gern ein Geländer gewünscht, um wenigstens etwas Halt zu haben. Da es nicht vorhanden war, mußte sie mit ausgestreckten Armen für ihre Balance sorgen.
Sie zog den Kopf ein, als nur noch zwei Stufen vor ihr lagen. Jetzt konnte sie auf den Dachboden schauen, der im spärlichen Licht verschwamm, aber auch noch finstere Ecken aufzuweisen hatte.
Da war nichts von Bill zu sehen.
Bevor sie weiterging, wollte sie es noch einmal wissen. Sie flüsterte Bills Namen.
Schweigen.
Mein Gott, was soll ich tun? Doch weitergehen oder weglaufen und Hilfe holen?
Letzteres konnte und wollte sie vergessen, denn in Pochavio würde ihr wohl kaum jemand zur Seite stehen. Also allein weitermachen und sich diesem Cesare Caprio stellen, für den die Schattenwelt dort droben ein ideales Versteck war?
Den Rest der Strecke bewegte sich Sheila auf Händen und Füßen weiter. Sie rechnete damit, daß man sie vor dem Aufrichten noch angriff, aber sie hatte Glück. Ohne Schwierigkeiten konnte sie den Dachboden betreten.
Sehr langsam richtete sich Sheila wieder auf und bewegte schon ihren Kopf, um etwas erkennen zu können. Es war zu dunkel. Das Gerumpel hier oben war nur schattenhaft zu sehen. Es schwamm in der Dunkelheit, und es gab weder Ecken noch Kanten.
»Bill?«
Sheila bekam keine Antwort. Jetzt hätte er sie hören müssen, und sie merkte, wie die Furcht zunahm. Aus einem Gefühl heraus drehte sich Sheila nach links und ging weg von der Luke.
Auf den alten Bohlen des Fußbodens lag eine Gestalt. Lang ausgestreckt. Das konnte nur ein Mensch sein. So starr, so leblos, aber ohne ein Atemgeräusch abzugeben.
Sie lief geduckt auf ihn zu. Ihr Herz klopfte zum Zerspringen laut. Ihr Gesicht war verzerrt, und für einen schrecklichen langen Moment erfaßte sie die Vision, daß Bill tot sein könnte.
Neben ihm fiel sie auf die Knie. Sheila strich mit beiden Händen über den Körper hinweg. Sie wollte sein Gesicht umfassen, das für sie nicht mehr als ein heller Fleck war.
Bill lebte.
Unter Sheilas Fingern war das Zucken der Halsschlagader zu spüren. Er war nur bewußtlos. Wahrscheinlich hatte ihn jemand niedergeschlagen. Sheila glaubte nicht daran, daß er sich irgendwo nur den Kopf gestoßen hatte.
Sie sprach ihn an, aber sie wußte nicht, welche Worte sie dabei verwendete. Die neue Lage brachte auch für sie Streß, nur mußte sie damit rechnen, daß sich der andere noch hier aufhielt. Durch eine der winzigen Lichtluken konnte er nicht verschwunden sein.
Noch in der Hocke drehte sich Sheila um.
Nichts zu sehen.
Diese graue Schattenwelt tat ihren Augen nicht gut. Sie nahmen einfach keine Kontraste mehr wahr.
Trotzdem war jemand da. Es war ein Gefühl, aber ein sehr starkes, und Sheila richtete sich wieder auf. Noch während sie sich selbst bewegte, nahm sie auch die andere Bewegung wahr. Aber es ging niemand über diesen Dachboden, die Gefahr schwebte in der Luft und bewegte sich schattengleich durch das graue Zwielicht.
Den fliegenden Gegenstand konnte Sheila nicht erkennen, weil er zu dunkel war. Aber etwas schimmerte wie die schmutzige Fläche eines alten Spiegels.
In ihr zuckte eine schreckliche Idee hoch. Sie manifestierte sich, denn der schwebende Gegenstand hatte sich Sheila als Ziel ausgesucht. Jetzt erkannte sie ihn auch.
Es war ein Beil mit großer Klinge. Und
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