1012 - Der programmierte Mann
er sich darüber so grundlegend änderte?
Sie folgte ihm langsam in den Besucherraum. Hochaufgerichtet ging er an dem Terraner, der ihn beleidigt hatte, und den anderen Reisenden vorbei. Er würdigte sie keines Blickes, während er sonst leutselig Kontakt zu suchen pflegte, wohl wissend, wie er auf die Ankommenden wirkte.
Als Amby Törn den klimatisierten Raum betrat, erlosch der Antigravtunnel hinter ihr.
Erstaunt stellte sie fest, daß noch kein Importkontrolleur anwesend war.
„Du kennst dich doch hier aus", sagte Gruude Vern lächelnd. Er schob die Ringe seiner linken Hand höher auf die Finger. „Weißt du, wie lange wir hier warten müssen?"
Das braune, gelockte Haar umrahmte sein kantiges Gesicht wie eine Kappe. Der Terraner sah hart und gefühlskalt aus, dennoch war er ihr nicht unsympathisch. Sie dachte, daß er sich mit diesem ausgesprochen männlichen Gesicht gut als Reklamefigur in einem Werbefilm machen würde. Als störend empfand sie, daß er sich so dandyhaft kleidete und so auffallenden Schmuck trug.
„Warum hast du den alten Mann getreten?" fragte sie. „Du hast ihn schwer beleidigt. Es ist, als hättest du ihn mitten ins Herz getroffen."
Gruude Vern grinste breit.
„Was kann ich dafür, wenn er das Herz in der Hose sitzen hat?"
Einige Touristen, die seine Worte gehört hatten, lachten laut auf.
Amby Törn verlor die Beherrschung über sich. Sie glaubte, dieses selbstgefällige Grinsen nicht mehr ertragen zu können. Ihre Hand ruckte hoch und flog ihm klatschend ins Gesicht, bevor sie sich dessen bewußt wurde, was sie tat.
Doch das Grinsen konnte sie mit dieser Ohrfeige nicht wegwischen. Gedankenschnell packte Gruude Vern ihre Hand.
„Wie nett", sagte er spöttelnd. „Ich wußte gar nicht, daß du so aus dir herausgehen kannst."
„Goron, der Arkonide, wird sich rächen", kündigte sie ihm an. „So etwas kannst du nicht mit ihm machen."
Sie riß sich los, drehte sich um und wollte den Raum verlassen, obwohl sie wußte, daß sie das nicht durfte, bevor sie ebenso wie die anderen Reisenden kontrolliert worden war.
In diesem Moment öffnete sich die Tür, und Bruke Tosen trat ein.
Amby blieb stehen und vergaß den Vorfall mit Gruude Vern.
„Bruke", sagte sie. Und eilte ihm entgegen. „Ich hatte so gehofft, daß du Dienst hast."
Er lächelte höflich.
„Hallo, Amby. Du bist schon zurück?" Er ergriff ihre ausgestreckte Hand.
„Ich hatte dir doch geschrieben."
„Ach, ja, natürlich. Das hatte ich vergessen."
„Was ist mit dir?" fragte sie enttäuscht. „Ist etwas passiert?"
Dankbar ergriff er die Gelegenheit, die sie ihm ungewollt bot, einem allzu persönlichen Gespräch auszuweichen.
„Allerhand sogar", antwortete er. „Ich habe dienstlichen Ärger."
Er sprach so leise, daß die anderen ihn nicht verstehen konnten.
Bruke Tosen dachte daran, daß er zu Taris Kanderhagen, seinem Vorgesetzten, gegangen war.
*
Taris Kanderhagen war ein grobschlächtiger Riese mit aufgedunsenem, rötlichen Gesicht und einem töricht erscheinenden Lächeln, hinter dem er seine Unsicherheit verbarg.
Als Bruke Tosen das Büro seines Vorgesetzten betrat, saß dieser hinter seinem Arbeitstisch und verfolgte einen Abenteuerfilm, der auf dem Videoschirm ablief. Neben ihm stand eine halbleere Bierflasche, und zwei entleerte lagen vor der Klappe des Abfallschachts. Dennoch war Kanderhagen keineswegs betrunken.
Tosen wußte, daß sein Vorgesetzter täglich wenigstens die vierfache Menge Bier trank.
Es könnte sein, daß er doch betrunken ist, dachte der Importkontrolleur, als Kanderhagen ihn aufforderte, in einem Sessel Platz zu nehmen. Vielleicht ist er ständig betrunken, während wir glauben, daß er trinkfest ist. Möglicherweise haben wir ihn noch nie nüchtern erlebt.
„Was ist los?" fragte Kanderhagen verärgert. Er schaltete das Videogerät nicht aus und stellte es auch nicht leiser. Deutlicher hätte er Bruke Tosen nicht zeigen können, wie lästig ihm die Störung war.
„Ich muß dir eine Meldung machen", erklärte Tosen, der durch das Verhalten seines Vorgesetzten verunsichert war. „Seit einiger Zeit habe ich das Gefühl, daß Dinge in dieses Handelskontor eingeschmuggelt werden, die äußerst gefährlich sind."
Taris Kanderhagen blickte ihn verwundert an.
„Ein Gefühl?"
„Ja, vorläufig habe ich nur das Gefühl. Ich suche noch nach Beweisen, und ich bin sicher, daß ich welche finden werde. Heute ist ein Anschlag auf mich verübt worden, und Xingar, der
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