1012 - Der programmierte Mann
ich habe das Aschefieber."
Er stand auf, schulterte Primas und verließ das Restaurant. Sein Rückzug glich einer Flucht.
Draußen war es warm wie gewöhnlich. Die Sonne stand im Zenit. Die Kunststoffhaube über der Stadt schimmerte an ihrer oberen Rundung rot, ein deutliches Zeichen dafür, daß Schwemmasche von den benachbarten Vulkanen ausgeworfen und von den Stürmen über die Stadt hinweggetragen wurde. In Jarvon selbst merkte man sonst nichts von der vulkanischen Tätigkeit. Die Stadt war so gebaut, daß sie erschütterungsfrei blieb.
Bruke Tosen stellte fest, daß er sich im Zentrum von Jarvon befand. Er beschloß, so schnell wie möglich in seine Wohnung zurückzukehren.
Nervös und unsicher drängte er sich durch die Reihen der Gäste, die vor den Restaurants saßen und die Sonne genossen. Er näherte sich der Röhrenbahnstation, als er plötzlich eine rothaarige Frau unter einigen Bäumen bemerkte. Sie winkte ihm zu.
Zögernd blieb er stehen.
Die Frau war Sintha-Lee, die junge Frau des Springerpatriarchen Xingar. Von dem blauen Auge, das ihr Gesicht noch vor zwei Tagen verunziert hatte, war nichts mehr zu sehen. Sie lächelte, und Bruke Tosen fühlte, wie sich sein Herzschlag beschleunigte.
Auf eine solche Gelegenheit hatte er gewartet. Seine Wangen brannten, als er auf Sintha-Lee zuging, und die Kehle wurde ihm so eng, daß er fürchtete, nichts sagen zu können.
Er mißdeutete die berechnende Kühle in ihren Augen.
„Setz dich zu mir", bat sie lächelnd. „Oder hast du Angst vor mir?"
„Warum sollte ich?" brachte er mühsam hervor. „Wieso bist du nicht an Bord?"
„Ich ertrage die Nähe Xingars nicht mehr", erwiderte sie. „Mir wird übel, wenn ich ihn sehe."
Er nahm an ihrem Tisch Platz und achtete darauf, daß er hinter einige Büsche geriet, so daß er von den vorbeischlendernden Passanten nicht so ohne weiteres gesehen werden konnte.
„Hast du keine Angst, daß er dir jemanden nachschickt?" fragte er.
Sie lachte silberhell und legte ihm ihre Hand auf den Arm. Er zuckte zusammen und wäre am liebsten von ihr abgerückt. So sehr es ihn zu ihr hinzog, so wenig wagte er, die rechtliche Sphäre zu verletzen, die sie und den Springerpatriarchen verband. Sie war seine Frau, also war sie nicht für ihn frei, so sehr er sich auch wünschte, sie für sich zu gewinnen.
„Er schickt mir niemanden mehr nach", behauptete sie. „Wir haben uns getrennt."
Sie machte ihm einige kleine Komplimente, die ihm ein wenig mehr Sicherheit gaben und veranlaßte ihn geschickt dazu, aus seiner Reserve herauszukommen. Er hing mit seinen Blicken an ihrem Gesicht und vergaß seine Umgebung völlig. Er schien noch nicht einmal zu merken, daß Primas, den er noch immer auf der Schulter trug, eingeschlafen war.
„Dennoch ist es nicht ganz ungefährlich, wenn wir uns hier sehen", sagte sie. „Xingar ist wütend. Er läßt sich nicht so ohne weiteres etwas wegnehmen, und er bildet sich ein, daß ich nach wie vor sein Eigentum bin."
Bruke Tosen richtete sich ein wenig auf.
„Wenn du willst, kann ich dich für einige Tage in Sicherheit bringen."
„Soll ich etwa zu dir in deine Wohnung ziehen?"
Ihre Offenheit brachte ihn in Verlegenheit. Er hatte so gut wie keine Erfahrung mit Frauen, und er glaubte, daß man derartige Dinge Frauen gegenüber höflicherweise umschreiben müsse.
„Nein, nein", wehrte er ab, als wenn sie ihn in seine Wohnung begleitet hätte. „Ich dachte daran, daß ich ein Haus in den Bergen mieten könnte. Dort könntest du bleiben, bis die XIN-I gestartet ist. Es geht ja nur um ein paar Tage."
Sie beugte sich rasch zu ihm hinüber und hauchte ihm einen Kuß auf die Wange.
„Du bist lieb", flüsterte sie. „Ich wußte, daß ich mich in dir nicht getäuscht habe. Besorgst du mir das Haus?"
„Ich bin gleich zurück", versprach er, stand auf und eilte zu einer öffentlichen Videokabine. Von dort aus bestellte er eines der vielen Häuser, die in den Bergen an den Küsten errichtet worden waren. Sie wurden nur wenige Monate im Jahr genutzt und konnten von jedem Bürger von Jarvith-Jarv gemietet werden.
Sintha-Lee dankte ihm zärtlich, als er zu ihr zurückkehrte.
Sie erklärte, daß sie sofort mit einem Gleiter zu dem Haus aufbrechen und dort solange bleiben würde, bis Xingar den Planeten verlassen hatte.
„Besuche mich morgen", bat sie dann. „Wirst du kommen?"
„Gern", erwiderte er und sah ihr nach, bis sie in der Menge untergetaucht war.
In seiner euphorischen Stimmung
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