1012 - Der programmierte Mann
bewegen konnte.
Tosen landete auf der Rückseite, und eine Kunststoffkuppel hob sich aus dem Boden heraus. Sie stülpte sich über den Gleiter und öffnete ihm gleichzeitig einen Durchgang zum Haus. Während er ausstieg, geriet er in eine Strahlendusche, die die gefährlichen Schadstoffe der Atmosphäre beseitigte. Er nahm das Atemschutzfilter ab und warf es in den Gleiter. Jämmerlich heulend schloß sich Primas ihm an. Er achtete nicht darauf.
Bebend vor Angst um Sintha-Lee betrat er das Haus.
Mein Gott, dachte er. Laß ihr nichts passiert sein.
Er wurde sich dessen bewußt, daß er die Frau des Springerpatriarchen liebte und bereit war, ihr zuliebe seine Selbständigkeit völlig aufzugeben. Er wollte sein künftiges Leben ausschließlich in ihren Dienst stellen und alles tun, damit sich ihre Wünsche und Träume erfüllten. Er wußte, daß seine bescheidenen Verhältnisse einen engen Rahmen steckten, doch da er Xingar als äußerst geizig kannte, sagte er sich, daß es Sintha-Lee auf jeden Fall bei ihm besser gehen würde als bei dem Springer.
Wenn sie noch lebt! dachte er.
Er stieß die Tür zum Salon auf und sah Sintha-Lee. Sie lag bäuchlings an der wandbreiten Fensterscheibe der Seeseite und streckte die Arme zu beiden Seiten aus. Ihr Kopf wurde von dem aufgelösten Haar bedeckt, das wie ein dickes Büschel von Blutfäden aussah.
„Sintha-Lee", stöhnte er und eilte zu ihr.
Als er sich neben ihr niederkniete, räusperte sich jemand hinter ihm. Er fuhr herum und erkannte Olof Xingar und zwei weitere Springer. Sie traten mit geballten Fäusten auf ihn zu.
Obwohl er eigentlich damit hätte rechnen müssen, auf jemanden zu stoßen, der Sintha-Lee überfallen hatte, wurde er völlig überrascht. So traf ihn der erste Schlag, ohne daß er sich wehren konnte. Er flog quer durch den Raum und war kaum wieder auf den Beinen, als Olof Xingar sich erneut auf ihn stürzte. Nur mühsam wehrte er ihn ab. Er wich ihm aus, geriet dabei aber einem anderen Springer unter die Fauste.
Damit begann ein Trommelwirbel von Faustschlägen, der ihn völlig zermürbte und ihn schließlich bewußtlos zusammenbrechen ließ.
Eine feuchte Schnauze stieß ihn immer wieder an, und eine Zunge fuhr ihm über die Nase, genommen versuchte er, sie abzuwehren, doch es gelang ihm nicht. Er sehnte sich nach nichts mehr, als auch weiterhin im Dämmerzustand zu bleiben und das Gefühl der Entspannung zu genießen, die ihn erfüllte. Dabei spürte er, daß äußerste Qualen auf ihn warteten, sobald er erwachte.
Doch die Zunge gab keine Ruhe. Sie strich ihm solange über das Gesicht, bis er die Augen öffnete.
Bruke Tosen richtete sich ein wenig auf, fiel jedoch gleich wieder auf den Rücken zurück. Und jetzt kamen die Schmerzen. Sie reichten von den Zehenspitzen bis zu seinem Kopf. Es schien nicht eine einzige Stelle an seinem Körper zu geben, die nicht schmerzte.
Er hielt die Augen offen, und er sah, daß er direkt unter einem Steilhang aus schwarzem Gestein lag, der sich bis hoch in das Blau des Himmelsgewölbes zu erheben schien.
Tosen hob den rechten Arm und schob den Kopf des Halkonen zurück, um sich der schleckenden Zunge zu erwehren. Dabei merkte er, daß kein Atemschutzfilter Nase und Mund bedeckte.
Erschrocken griff er sich ins Gesicht.
Er trug kein Filter.
Laut stöhnend richtete er sich auf. Sein Körper schien nur noch aus Schmerzen zu bestehen. Er sah sich um, weil er hoffte, das Filter irgendwo in Reichweite seiner Arme zu finden. Doch um ihn herum gab es nur schwarzes Gestein, zwischen dem ein wenig Farn wuchs.
Unwillkürlich legte er die Hände über Mund und Nase, bis ihm bewußt wurde, daß er damit die Schadstoffe nicht von seinen Atemwegen abhalten konnte. Er wußte nicht, wie lange er hier in der Wildnis gelegen hatte. Es konnten Minuten, aber auch ein oder zwei Stunden vergangen sein.
Das Armbandvielzweckgerät mit dem Chronometer hatten ihm die Springer abgenommen, so daß er nicht um Hilfe rufen oder sich mit dem Spezialinstrument orientieren konnte. Sie hatten ihn in die Wildnis geworfen und waren verschwunden.
Tosen stemmte sich mit den Händen an einem Felsen ab und stand auf. Sein Rücken und seine Seiten schmerzten so heftig, daß er wieder auf die Knie stürzte. Doch er preßte die Zähne zusammen, überwand den Schmerz und richtete sich erneut auf. Mochten die Springer annehmen, daß er tot war oder so gut wie tot, weil die Giftstoffe der Atmosphäre ihm den Rest geben würden, wenn er nicht bald in
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