1012 - Der programmierte Mann
verständnislos an.
Pheromone waren Botenstoffe, organische Substanzen, die Instinkthandlungen auslösten und soziale Funktionen kontrollierten. Tosen wußte, daß sie in der Natur in bestimmten Organen gebildet und in mikroskopisch kleinen Mengen nach außen abgegeben wurden. Es waren häufig Duftstoffe, mit denen bei bestimmten Tierarten Fluchtreaktionen ausgelöst, Reviere und Wege markiert oder Sexualpartner angelockt wurden.
Für Tosen stand angesichts der Menge der Botenstoffe, die in den Flaschen vor ihm lagen, fest, daß es sich um synthetische Pheromone handelte.
„Wer hat die Pheromone bestellt?" fragte er.
„Keine Ahnung", antwortete der Springer. „Das geht mich auch nichts an. Stehen sie auf der Verbotsliste?"
Mit dieser Frage brachte er Tosen in Verlegenheit. Der Importkontrolleur wußte nichts von Pheromonen, deren Einfuhr verboten war.
„Nein", antwortete er zögernd.
„Dann können die Flaschen wohl passieren? Oder nicht?"
„Ich will mich erst überzeugen, ob sie wirklich nicht darauf stehen." Tosen verließ den Kontrollraum und kehrte kurz darauf verlegen zurück. Er gab die Importwaren frei.
Im gleichen Augenblick verlor er den Kontakt zur Wirklichkeit. Wieder schien es, als zerreiße ein Vorhang. Tosen fand sich in seinem Büro wieder. Vor ihm flimmerte ein Videoschirm. Auf ihm war der Springer zu sehen, den er eben gerade kontrolliert hatte.
Tosen blickte auf das Chronometer. Nur Minuten waren vergangen, aber es waren Minuten, die ihm fehlten. Er wußte nicht, was er in dieser Zeit getan hatte. Es war, als habe eine unsichtbare Macht diese Minuten mit einem Zeitmesser aus seinem Bewußtsein geschnitten.
Wiederum brauchte er einige Minuten, um den Schock zu überwinden. Während dieser Zeit beobachtete er den Springer, ohne zu begreifen, was dieser tat. Dann aber erfaßte er, daß der Springer an der Klimaanlage des Raumhafens herumhantierte. Er sah, daß er eine der Flaschen mit den Pheromonen in den Händen hielt und etwas daraus in eine Rohröffnung träufelte.
Sekunden darauf stieg ihm ein eigenartiger Geruch in die Nase.
Tosen sprang auf. Er wollte aus dem Büro ins Freie flüchten, stolperte aber über Primas, der unter seinem Schreibtisch hervorschoß. Er stürzte der Länge nach auf den Boden.
Abermals erlebte er einen Bewußtseinssprung.
Er stand in einem offenen Durchgang zu einem kleinen Raum, den er offenbar gerade betreten wollte. Er blickte in eine riesige Halle, in denen sich die Antriebsaggregate eines Raumschiffes erhoben. Zwischen den Maschinen arbeiteten Roboter und Springer.
Tosen zog sich hastig in den kleinen Raum zurück, in dem verschiedene Schmiermittel aufbewahrt wurden. Er sah vier Metallbehälter auf dem Boden stehen und erkannte, daß es seine eigenen Reisekoffer waren. Sie trugen das gezackte Symbol, mit dem er sein privates Eigentum zu markieren pflegte.
Verwirrt und schockiert über den neuerlichen Bewußtseinssprung ließ er sich auf den Boden sinken. Er blickte durch die Tür in die Halle hinaus und fragte sich, wie er in die XIN-I gekommen war. Daß er sich in dem Walzenraumer befand, stand für ihn zweifelsfrei fest.
Doch was wollte er hier? Wie hatte er es geschafft, an den Springern und den robotischen Kontrollen vorbeizukommen? Wozu die Koffer?
Du wolltest das Schiff in die Luft jagen! schoß es ihm durch den Kopf.
Mit bebenden Händen öffnete er einen der Koffer, und dann wußte er sofort, was los war. Der Koffer enthielt eine primitiv gefertigte Bombe, die gleichwohl von einer Vernichtungskraft war, die für die XIN-I mehr als ausreichend war.
Nachdem Tosen auch den Inhalt der anderen Koffer gesehen hatte, wußte er, daß er soviel Sprengstoff an Bord des Springerschiffs gebracht hatte, daß er damit vier oder fünf Walzenraumer dieser Größenklasse in Wracks hätte verwandeln können.
Ein triumphierendes Grinsen verzerrte sein Gesicht, und seine Augen funkelten boshaft.
Ihm kam nicht in den Sinn, daß die explodierenden Koffer nicht nur den Walzenraumer der Springer zerfetzen, sondern auch die Stadt Jarvon dem Boden gleichmachen würden.
Er dachte nur daran, daß er sich an Xingar und seiner Sippe für die Ermordung Sintha-Lees rächen würde.
Er blickte auf seine Hände und sah erst jetzt, daß sie völlig zerschunden waren. Sie hatten Risse und verschorfte Wunden. Das war nach dem Kampf mit Gruude Vern noch nicht der Fall gewesen. Also mußte er sich nachher mit irgend jemandem geschlagen haben. Er erinnerte sich jedoch
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