1019 - Das Vampirfenster
Dann war das Kreuz so nahe, daß sie ihm nicht mehr ausweichen konnte. Der Schrei fand keine freie Bahn mehr, denn das Kreuz war schneller.
Da sie für einen Moment gestockt hatte, konnte ich es fast zärtlich auf ihre Brust legen.
Gilian Kyle kam nicht mehr hoch. Sie blieb auf dem Boden liegen.
Das Kreuz drückte gegen ihre Brust. Im Liegen schüttelte sie noch wild den Kopf, dann war es vorbei. Aus dem Mund drang ein letzter Seufzer. Kein Zucken mehr, gar nichts, einfach Schluß. Ich hatte es geschafft, sie zu erlösen.
Ich hob das Kreuz wieder an. Auf dem Hals und am Ansatz der Brust war es als Zeichen zu sehen. Beinahe wie ein Brandmal, denn die Haut zeigte einen tiefen Rotton.
Meine Pflicht und Schuldigkeit war bei ihr getan. Ich steckte das Kreuz wieder weg, wollte die Frau aber nicht auf dem Boden liegenlassen. Ich hob sie an und legte die Erlöste auf das Bett. Danach trat ich ans Fenster und schaute hinaus.
Die Nacht war sehr dunkel. Ideal für einen Vampir, um sich perfekt verstecken zu können. Auch wenn er sich in der Nähe aufhielt, um zu beobachten, würde ich ihn kaum sehen können. Die Dunkelheit zusammen mit den Wolken bildete so etwas wie eine finstere Drohung.
Nach kurzer Zeit schloß ich das Fenster. In diesem Zimmer hielt mich nichts mehr.
Ein anderer war wichtiger. Der Vampir aus dem Fenster. Er hatte mich gewollt, und er war praktisch durch mein Blut erweckt worden und dabei auf den Geschmack gekommen. So konnte ich mir vorstellen, daß er in dieser Nacht noch auf sein nächstes Opfer wartete.
Er würde mich finden, das war sicher…
***
Niemand hatte mich gesehen, als ich das Hotel verließ. Die Gäste feierten immer noch und hatten sich zum kalten Büfett zurückgezogen.
Diesmal war ich mit dem Wagen gefahren. Allein durch die finstere Nacht, deren Schatten die Idylle schnell verschluckt hatten. In der Nähe des Bachs stiegen grauweiße Wolken auf, die in den Uferregionen blieben und noch keinen dichten Nebel gebildet hatten.
Den Weg kannte ich. Er war leicht zu finden. Dennoch fuhr ich langsam, da ich mich nicht nur auf die Strecke konzentrierte. Die Umgebung war ebenfalls wichtig. Dazu zählte auch der finstere Himmel, der so dicht und so drückend war. Dabei glich er einem ins Unendliche hineinreichenden Teppich, der im Begriff war, sich immer tiefer zu senken, um letztendlich auch die Erde zu verschlingen.
Auf der fuhr ich weiter. Mein Gesicht war angespannt. Trotz der kühlen Luft lag ein leichter Schweißfilm auf der Oberlippe, den ich nicht wegwischte.
Die Umrisse der Kirche waren zu sehen. Da sie auf einer leichten Anhöhe stand, schien sie sich vor mir in die Höhe zu drücken und sogar leicht zu schweben. Eine Täuschung, sie war nicht in einer Zwischenwelt gebaut worden, die sich geöffnet hatte. Da spielte mir die Phantasie einen Streich.
Das Licht der Scheinwerfer streifte sehr bald den einsamen Bauwagen. Dort stellte ich den Rover ab und stieg aus. Dabei kam mir der Gedanke, daß sich der Bauwagen auch als Versteck für einen Vampir eignete. Dort war es finster wie in einem Sarg.
Ich trat an die Tür heran und überprüfte sie. Von außen war sie durch ein Kettenschloß gesichert. Darin verbarg sich niemand. Die Kirche war wichtig.
Ich dachte darüber nach, ob ich sie auch von innen noch einmal durchsuchen sollte, aber den Gedanken stellte ich zurück. Wenn der Vampir sich irgendwo versteckt hielt, dann nicht in der Kirche. Der Ort war doch zu gefährlich für ihn.
Das Gerüst zog mich an. Es war sehr finster geworden. Ich hätte eigentlich meine Lampe gebraucht. Ich ließ sie jedoch in der Tasche und stieg im Dunkeln die Leiter hoch.
Der Wind blies nach wie vor. Mein Gesicht war nach oben gerichtet. Ich roch die Feuchte und die Kälte des Mauerwerks und blieb zunächst auf dem Steg stehen, um mich umzuschauen.
Von hier oben hatte ich einen wunderbaren Blick in die Runde.
Wenn es hell gewesen wäre. So aber wurde die Umgebung von der grauschwarzen Finsternis verschluckt. Nur dort, wo Lyminge lag, schimmerten die Lichter.
Der Vampir war nicht zu sehen. Keine Bewegung über mir in den Wolken. Nichts, das sich wie ein Schatten aus der Finsternis löste und auf mich niederstieß. Eine ruhige Nacht umgab mich, und an eine Gefahr war überhaupt nicht zu denken.
Ich ging bis zum Fenster. Die Möglichkeit, daß sich der Blutsauger darin versteckt hatte, schätzte ich nur als gering ein. Dort hatte er über die Jahrhunderte hinweg seinen Platz gehabt, und nichts
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