102 - Die Gottesanbeterin
letzter Seufzer kam aus dem Mund des Puppenkopfes, dann wich jeder Schimmer von Leben aus seinen Augen.
Taketsura schlug ihn wieder in die Seidentücher ein und legte ihn in die Edelholzschatulle zurück. Die Schatulle verstaute er im Schrank.
Sein Kami hatte ihm gesagt, wenn er den Kopf übergeben hatte, hätte er seine Schuld hei ihm bezahlt und nichts mehr mit ihm zu tun. Dann würde Isogai Taketsura endlich befreit sein von der unheimlichen Macht.
Wenn er diesen Augenblick noch erlebte.
Dorian Hunter saß mit Unga im Zelt, als er draußen Stimmen hörte. Er stand auf. Da wurde auch schon die Leinwand des Zelteingangs auseinandergeschlagen. Uniformierte Polizisten erschienen, Waffen in den Händen. Hinter ihnen traten ein Inspektor und ein weiterer Kriminalbeamter in Zivil ein.
„Inspektor Hajima", sagte der kleine bebrillte Inspektor und zeigte kurz eine Dienstmarke. „Ich habe Ihnen ein paar Fragen zu stellen."
Dorian sah in die Pistolenmündung der vier Polizisten. Er war überzeugt, daß noch weitere Männer draußen standen. Es war kurz nach halb zwölf Uhr nachts. Dorian, in der Gestalt des Yoshirojo Kabuki, mußte dessen Rolle spielen. Es war eine prekäre Situation.
„Fragen Sie nur! Fragen Sie nur!" krähte Dorian.
„Ihr Name?" wollte der Inspektor wissen.
„Yoshirojo Kabuki."
„Haben Sie einen Ausweis?"
„Einen Ausweis? Was soll ich mit einem Ausweis, he? Das hier ist mein Ausweis."
Dorian klopfte auf seinen Buckel.
„Wer ist das da?"
Inspektor Hajima deutete auf Unga, der keine Samurairüstung mehr trug, sondern Leinenkleidung, ähnlich der der Judo- und Karatekämpfer. Ein schwarzer Gürtel hielt sie zusammen.
„Das ist der Namenlose Samurai."
„Diese Sprüche interessieren mich nicht. Ich will seinen Namen wissen."
„Wenn er einen hätte, wäre er wohl nicht namenlos, Hahaha! Er ist der beste Schwertkämpfer aller Zeiten. Wenn Sie ihn im Schwertkampf besiegen können, zahle ich Ihnen hunderttausend Yen. Na, ist das ein Angebot?"
Inspektor Hajima hatte Ungas verständnislose Miene bemerkt.
„Er spricht kein Japanisch?"
„Nein", antwortete Dorian. „Überhaupt keine mir bekannte Sprache. Manchmal brabbelt er etwas, aber ich werde nicht klug aus dem Kauderwelsch. Doch ein großartiger Fechter ist er. Der beste Fechter. Darauf gebe ich Ihnen Brief und Siegel."
Inspektor Hajima und der andere Kriminalbeamte wechselten einen Blick.
„Wo waren Sie heute abend um zehn Uhr?" fragte der Inspektor. „Alle beide."
„Erst hat der Namenlose auf der Bühne Fechtübungen vorgeführt, dann waren wir hier im Zelt." „Kann das jemand bezeugen?"
„Nein. Aber wo sollten wir denn sonst gewesen sein?"
Inspektor Hajima antwortete nicht. Er trat zu dem Samuraischwert, das in der Ecke stand, und zog es aus der Scheide. Die Schneide funkelte im Lampenlicht.
„Blut ist keines daran zu sehen, aber das kann man abwischen. Unser Labor wird das nachprüfen." Er wandte sich an seinen Assistenten. „Was halten Sie von den beiden, Tschikamatsu?"
„Äußerst merkwürdige und verdächtige Subjekte. Wir sollten sie verhaften und verhören. Auf jeden Fall muß ihre Identität festgestellt werden."
Der Inspektor nickte. Er ließ Dorian und Unga zehn Minuten Zeit, um Gebrauchsgegenstände und Wäsche einzupacken und sich fertigzumachen. Dorian verdolmetschte Unga alles in einer primitiven Zeichensprache. Er wollte nicht in englisch oder sonst einer Fremdsprache mit dem Cro Magnon reden, um die Leute von der Polizei nicht noch mehr zu verwirren.
Bei der Durchsuchung des Zeltes wurden die Maske mit den Flügelohren, die Samurairüstung und das schwarze Gewand gefunden. Triumphierend zeigten es die Polizisten Inspektor Hajima.
„Aha!" sagte der. „Genau solche Sachen hat der Mörder im Hakone getragen. - Los! Fesselt sie mit Handschellen! Dann geht es ab ins Gefängnis. Sie und Ihr stummer Freund sitzen ganz schön in der Klemme, Kabuki."
Dorian antwortete nicht. Er gab Unga einen Wink, sich nicht gegen die Fesselung zu sträuben.
Der Dämonenkiller und der Cro Magnon wurden in einem Polizeibus abtransportiert und ins Gefängnis von Hakone-machi gesteckt. Sie kamen in eine Zwei-Mann-Zelle. Die Zelle war kahl. Zwei Pritschen, übereinander stehend, ein an der Wand befestigter Tisch, zwei Stühle, eine Toilette, ein Waschbecken und ein eiserner Schrank waren die ganze Einrichtung. Man hatte Dorian und Unga durchsucht, aber dem buckligen Japaner sein magisches Werkzeug gelassen. Der
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