1020 - Doriel
Kopf nicht viel zu sehen, weil er von einem harten Gegenstand regelrecht zertrümmert worden war. Als wäre ein Felsbrocken auf ihn geschlagen.
Jane hatte Mühe, die Beherrschung zu bewahren. Sie preßte ihre Hand gegen die Brust und atmete nur stoßweise. Inzwischen stand für sie fest, daß dieser Keller zu einem Doppelgrab geworden war.
Doch da gab es noch einen dritten Mann.
Hatte man ihn vergessen?
Jane konnte daran nicht glauben. Bestimmt lag er ebenfalls hier unten.
Sehr vorsichtig ging Jane weiter. Sie schaute auch vor ihre Füße, denn sie wollte auf keinen Fall über die eigenen Beine stolpern und hinfallen.
Schwankend bewegte sie sich weiter. Sie sah auch ihre Waffe, blieb stehen und hob die Beretta unter großen Mühen auf. Die linke Rippenseite schmerzte besonders stark.
Aber sie schaffte es.
Die Waffe brauchte sie nicht in der Hand zu halten. Es gab keine direkte Gefahr mehr. Die Leichen taten ihr nichts, wenn sie nur normal tot waren. Jane schwankte. Sie spreizte die Arme etwas ab, um so ein besseres Gleichgewicht zu erhalten. Auf dem Gesicht und besonders auf der Stirn lag der Schweiß wie eine dünne Ölschicht. Einige Tropfen rannen in Richtung Mund. Darum kümmerte sich Jane nicht, denn sie hatte den dritten Mann entdeckt.
Es war der Westenträger.
Tot lag er in der Ecke.
Wie ein Bündel alter Kleidung, die jemand weggeworfen hatte.
Jane Collins ging näher heran, aber nicht zu nahe. Es reichte ihr ein Blick, um zu wissen, daß auch dieser Mensch nicht mehr lebte.
Drei Tote und ich! dachte sie. Gefangen mit diesen drei Leichen. Das war mehr als ein Mensch verkraften konnte, wollte er nicht durchdrehen. Aber Jane war durch ihren Job einiges gewohnt. Zudem war sie noch mit leichten Hexenkräften bestückt, und sie hatte sich schon in verflucht prekären und gefährlichen Situationen befunden.
Wie auch jetzt…
Ihr Gesicht war starr geworden. Sie glich selbst einer Leiche, als sie mit steifen Schritten auf die Treppe zuging. Es war die einzige Chance. Auch wenn es ihr schwerfiel, sie mußte nach oben und herausfinden, ob die Tür noch offen oder inzwischen verschlossen war. Als logisch denkender Mensch tendierte sie eher zur letzten Möglichkeit. Doch der Schimmer einer Hoffnung blieb.
Es ging ihr nicht besser. Die Schmerzen blieben. Jane versuchte mit allen Mitteln, sie zu ignorieren.
Sie blieb stehen, bevor sie den Fuß auf die unterste Stufe setzte. Jetzt war das Geländer an der linken Seite noch wichtiger für sie geworden.
Jane bekam ihren Atem einigermaßen unter Kontrolle. Alle Bewegungen mußte sie gleichförmig durchführen. Sie durfte keinen falschen Tritt machen, um nicht zu fallen.
Das dünne Geländer war kalt wie ein Fisch. Sie umfaßte es so gut wie möglich und zog sich daran hoch. Der erste Schritt klappte. Dann zog sie das linke Bein nach, verbiß den Schmerz, wobei sie ein leises Stöhnen trotzdem nicht unterdrücken konnte.
Jane war zäh.
Außerdem hatte sie Ziele vor Augen. Nicht allein die Tür am Ende der Treppe. Nein, sie wollte auch versuchen, aus diesem Verlies zu entkommen. Den Rest des Lebens mit drei Leichen in einem Weinkeller zu verbringen, war auch nicht Sinn der Sache.
Alte Frauen stiegen so die Treppe hoch wie Jane Collins. Mit sehr müden und angestrengt wirkenden Bewegungen nahm sie Stufe für Stufe, dabei das dünne Geländerrohr nicht loslassend.
Die Kehre.
Kurze Pause. Die Tür dabei schon im Blickfeld, so daß die Hoffnung wachsen konnte.
Jane biß wieder die Zähne zusammen. Auf der Lippe schmeckte sie das eigene Blut, aber sie machte weiter und quälte sich Stufe für Stufe in die Höhe.
Das Ziel blieb. Sie strengte sich noch mehr an. Dann die letzten drei Stufen.
Jane fiel ein, daß es sie ungefähr in dieser Höhe erwischt hatte. Daß es noch einmal geschehen würde, bezweifelte sie. Deshalb ging sie auch weiter.
Dann stand sie vor der Tür.
Jane tastete nach der alten Klinke, spürte die gleiche Kühle wie am Geländer und stellte fest, daß die Klinke einfach nur lose herabhing. Sie ließ sich zwar bewegen, mehr passierte jedoch nicht.
Trotzdem war die Tür verschlossen. Jane versuchte es mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln. Sie drehte sich und drückte ihre rechte Schulter gegen das alte Holz, in der Hoffnung, die Tür doch bewegen zu können.
Nichts zu machen.
Sie war nicht versperrt oder verschlossen, aber sie ließ sich auch nicht aufdrücken. Jemand mußte von der anderen Seite wohl einen mächtigen
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