1021 - Der unsichtbare Gegner
ganzes Leben lang hart gearbeitet, und dann, kurz vor seiner Pensionierung, haut er so daneben, daß er für den Rest seines Lebens zahlen muß. Wie kann man nur in einem solchen Alter so viel Schulden machen?"
„Ich weiß auch nicht." Uptigrove lächelte. „Aber du brauchst dir keine Sorgen um ihn zu machen. Ich weiß, daß er noch einmal alles riskiert hat, und dieses Mal wird er gewinnen."
„Wieso?"
„Er spekuliert mit Kunstwerken. Dafür hat er sein letztes Geld aufgebracht. Und er hat Glück. Die Stücke, die er gekauft hat, werden auf der Ausstellung beachtliche Erfolge erzielen. Robert Archibald ließ durchblicken, daß
*
sie schon jetzt im Gespräch sind.
Natürlich ist die Ausstellung keine Verkaufsmesse, aber wenn sie geschlossen wird, geht der Handel los. Und dann macht Garret Kasse."
„Wieso kann er sich Kunstwerke kaufen, wenn er so gut wie pleite ist?" fragte sie erstaunt.
„Das ist ganz einfach. Man braucht noch nicht einmal zwei Prozent des geschätzten Wertes anzuzahlen. Das andere finanziert eine Bank oder ein Agent wie Robert Archibald.
Hat man das Werk verkauft und kassiert, dann bezahlt man den Rest und streicht den Gewinn ein."
„Sofern ein Gewinn dabei herausspringt", wandte sie ein.
„Bei den Werken, die Garret gekauft hat, gibt es saftige Profite. Damit kann er sich zur Ruhe setzen. Verlaß dich drauf."
Der Alte kehrte mit einer Flasche Champagner und zwei Gläsern zurück. Umständlich stellte er sie vor Uptigrove und dem Mädchen ab.
„Ich drücke euch die Daumen", sagte er. „Hoffentlich habt ihr bei dem Vertrag mit Archibald aufgepaßt."
„Haben wir", beteuerte Merlin, wobei sie sich selbstsicherer gab, als sie war.
Garret Aglent blickte sich um. Außer dem jungen Künstler und seiner Freundin waren nur noch zwei Gäste im Restaurant. Auf dem Weg vor dem Lokal schoben sich die Menschenmassen vorbei. Sie drängten zu den Eingangspforten der Kunstausstellung.
„Robert Archibald ist eine Hyäne", flüsterte er. „Verlaßt euch drauf. Ich kenne ihn genau.
Er wirkt wie ein harmloser fetter Mann, dessen einziges Interesse gutes Essen und hochprozentige Getränke sind. Aber das täuscht. Er ist eine Hyäne oder noch schlimmer.
Solange das Geschäft läuft, ist alles in Ordnung.
Aber wehe, wenn irgend etwas nicht so klappt, wie er es sich vorgestellt hat."
Der Alte schenkte ein.
„Wie meinst du das?" fragte Merlin. „Addison geht das doch nichts an. Seine Werke sind in der Ausstellung, und alles Weitere wird sich ergeben."
„Das ist beruhigend", bestätigte Aglent. „Dabei kann allerdings nichts schief gehen.
Selbst wenn Archibald nur ein Bild verkauft, ist schon alles gut."
„Er wird eines meiner Bilder verkaufen", beteuerte Uptigrove, dem das Gespräch allmählich lästig wurde.
„Ich habe Archibald einmal erlebt, wie er einen Verlust erlitten hat", berichtete der Alte unverdrossen. Er schien nicht zu bemerken, daß die beiden jungen Leute ihn gar nicht hören wollten. „Die Folgen für die Schuldigen waren fürchterlich. Einen von ihnen hat Archibald in den Tod getrieben."
„Nun ist aber Schluß", sagte Merlin ärgerlich. „Willst du uns den Morgen versauen?
Komm, hole noch ein Glas, damit du mittrinken kannst."
„Ich bin im Dienst", wehrte der Alte mürrisch ab und ging schlurfend davon.
„Was soll denn so was?" Das Mädchen schüttelte den Kopf. „Wenn er noch länger geredet hätte, wäre mir der Kragen geplatzt."
Ihr Zorn verrauchte jedoch schnell.
Sie hob das Glas und wandte sich Addison mit einem zärtlichen Lächeln zu.
„Laß uns auf deinen Erfolg trinken", schlug sie vor.
*
Während Addison Uptigrove und Merlin Sanders zum erstenmal in ihrem Leben Champagner tranken und sich zu ihrem Erfolg beglückwünschten, stolperten kaum zehn Kilometer von ihnen entfernt Gernon Egk und die blonde Angela Gore vor dem brüllenden Icho Tolot her. Es gelang ihnen nicht, den Haluter abzuschütteln.
Egk erholte sich allmählich von dem Schock, den er erlitten hatte. Die Schmerzen in der Brust ließen nach, und er konnte ein wenig schneller laufen, so daß er nicht mehr so sehr auf die Hilfe des Mädchens angewiesen war.
Icho Tolot aber steigerte sein Tempo ebenfalls, so daß sich der Abstand zwischen ihnen nicht vergrößerte.
Je weiter Gernon Egk lief, desto mehr verstärkte sich das Gefühl in ihm, sich vor Angela blamiert zu haben.
Hatte er nicht so getan, als ob er Icho Tolot kannte? Und hatte Angela ihm nicht geglaubt?
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