1023 - Monster-Queen
Nicht einmal eine Nachricht hatte Cynthia hinterlassen. Auch auf dem Spiegel im Bad war nichts mit Lippenstift hingeschrieben worden.
Leicht frustriert blieb er vor seinem aufgebauten Fernglas stehen.
Es stand noch immer, wie er es verlassen hatte. Niemand hatte es verändert und als er durch die Gläser schaute, war sein Blick so klar auf das andere Zimmer gerichtet wie in der Nacht.
Sehr gut konnte er hineinschauen.
Ein leerer Raum, in dem sich nichts bewegte. Klar, sie war weg.
Arbeiten, wie auch immer. Aus der Tapete oder aus der Wand hatte sich mal ein Schatten gelöst. Davon war jetzt ebenfalls nichts mehr zu sehen. Die Wohnung sah völlig normal aus.
Die Wand, der Schatten, das Monster!
Drei Dinge fielen Joel ein, aber er wollte sie einfach nicht nachvollziehen. Was es nicht gab, das durfte auch nicht sein. Sein Verstand weigerte sich dagegen. Er wollte sich gedanklich nicht mit dem Monstrum beschäftigen. Er hatte sich geirrt, getäuscht. Die überreizten Nerven hatten ihm einen Streich gespielt. So etwas wie diesen Riesen-Gorilla gab es nicht. Das war unmöglich, und dabei blieb er.
Jemand hatte ihm da etwas vorgespielt. Täuschungen gab es da genug. Man hätte durchaus einen Film laufen lassen können. Die Szenen und Bilder an die Wand werfen, so daß sie aussahen wie echt.
Hinzu kam, daß er sich nicht getraut hatte, Cynthia danach zu fragen. Er hatte sich einfach nicht lächerlich machen wollen. Da war ihm jede Sekunde zu kostbar gewesen.
Joel Dancer beschloß, die Dinge positiv zu sehen. Zur Arbeit wollte er an diesem Tag nicht gehen. Er wußte, daß ihm in den folgenden Stunden noch eine wichtige Begegnung bevorstand. Der Anfang zumindest war gemacht worden, und alles andere würde sich ergeben.
Mit dieser Schlußfolgerung im Kopf drehte er sich um und zog den graugrünen und nicht eben sauberen Vorhang der Dusche zurück, denn die war jetzt wichtig.
Auch der Duschkopf hätte entkalkt werden müssen. Er ziemlich verklebt und entließ nur noch die Hälfte der normalen Wassermenge. Das war nicht wichtig, so stand er eben länger unter den Strahlen, die das schaumige Gel später von seinem Körper wuschen und über dem Abfluß einen blasigen Kreis bildeten, der nur mühsam ablief, da der Abfluß auch gereinigt werden mußte.
Das störte ihn nicht. Es war seine Dusche, und irgendwann würde Joel sie auch reinigen.
Mit einem grauen Handtuch trocknete er sich ab. Ein Badetuch besaß er nicht, und der rauhe Stoff rötete seine Haut ziemlich. Aber er fühlte sich besser. Darauf allein kam es ihm an. Alles andere konnte ihm gestohlen bleiben.
Nackt und leicht frierend ging er zurück in sein Zimmer. Er suchte frische Kleidung aus dem Schrank und zog sie rasch über. Eine khakifarbene Hose und ein schwarzes Hemd. Es würde sich noch herausstellen, ob er eine Jacke brauchte.
In der Küche setzte er sich einen Kaffee auf. Der zweiflammige Kocher reichte ihm völlig aus, was sich auch jetzt wieder herausstellte, als er zwei Eier in die Pfanne schlug. Die Spiegeleier schaufelte er direkt aus der Pfanne in den Mund.
Er war zufrieden. Der heiße Kaffee tat ihm auch gut, und wenn er an die Nacht dachte, hätte er jubeln können. Wie viele Menschen würden ihn wohl darum beneiden?
Das war für ihn auch keine Frau gewesen, keine normale zumindest, auch kein Engel – mehr, viel mehr. Er sah in Cynthia Carinelli eine Göttin, und die mußte er wiedersehen, koste es, was es wolle.
Aber nicht mehr nur durch sein Fernglas, sondern in natura. Wie in der vergangenen Nacht.
Joel Dancer überlegte, ob sie dabei von Liebe gesprochen hatte. Er hatte zumindest so etwas gestammelt, aber an ihre Worte konnte er sich nicht erinnern. Nur an einige, die besonders drastisch gewesen waren, ihm allerdings gefallen hatten. Da hatte sie ihm Dinge zugeflüstert, von denen eine normale Frau nicht einmal träumte. Mit Cynthia jedoch war dieser Traum Wirklichkeit geworden.
Er schluckte auch den letzten Rest, spülte mit Kaffee nach und nickte, weil er seine eigenen Gedanken damit bestätigen wollte. Diese Nacht sollte nicht einmalig bleiben, das hatte er sich fest vorgenommen. Er wollte sie immer und immer wieder erleben. Er wollte und würde der Göttin zur Verfügung stehen solange sie wollte, und wenn er darüber alles vergaß.
Ob sie auch noch andere Männer hatte, darüber wollte er nicht nachdenken, sie hatte ihm gehört, und er würde sich nicht davon abschrecken lassen, sie zu besuchen. Auch in naher Zukunft nicht,
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