1023 - Monster-Queen
Reihe. Eine Fassade, die nicht eben passabel aussah, weil der Zahn der Zeit daran genagt hatte. Fenster mit oft blinden Scheiben, wobei die im dritten Stock aus der Reihe fielen, denn sie waren von einer gewissen Cynthia Carinelli blank geputzt worden.
Der Mann steuerte die Haustür an. Bevor er hineinging, warf er noch einen Blick nach oben, wo Tauben auf einer schiefen Dachrinne hockten und die alten Kamine wie versteinerte Arme hochragten.
Die Wände der Türnische waren verschmiert. Die Tür selbst war nicht geschlossen. Im Treppenhaus hockte ein junger Fixer mit roten Haaren an der Wand und war high. Seine Hände hatte er in ein schwarzes Unterhemd gekrallt, als wollte er sich den Fetzen vom Leib reißen. Sein Kopf wurde von einem Walkman umklammert.
Die Beine lagen Dancer im Weg. Er stieg darüber hinweg. Andere hätten davor getreten, doch darauf verzichtete er.
Die Treppe brachte ihn hoch in den dritten Stock. Dort gab es zwei Wohnungen.
Den Namen Cynthia Carinelli las er nicht. Dafür einen anderen.
Der Mieter hieß Libston.
Für ihn interessierte sich Dancer nicht. Bevor er an die Tür klopfte, mußte er sich noch einmal umschauen. Beobachtet wurde er nicht.
Er starrte in den Treppenschacht hinein, und auch von unten kam niemand hoch.
Er war allein. Sehr günstig für ihn. So konnte ihn niemand beobachten, wenn er die Tür aufdrückte.
Hoffentlich war sie offen, was er aber nicht glaubte, in dieser Gegend schloß jeder ab.
Einer Intuition folgend klopfte er nicht, sondern drückte direkt die Klinke nach unten.
Er hatte Glück, die Tür war nicht abgeschlossen. Zwar klemmte sie etwas, aber Dancer konnte sie aufdrücken, was er auch tat. Sein Herz klopfte schneller. Es kam ihm vor, als hätte Cynthia die Wohnung bewußt nicht verschlossen, um ihm freien Zutritt zu gewähren. Das wäre wirklich ein Hammer gewesen.
Er betrat die Wohnung sehr vorsichtig. Beinahe wie ein Dieb schob er sich hinein. Ein langer Schritt brachte ihn über die Schwelle, dann schloß er die Tür hinter sich.
Er stand nicht in einem Flur, sondern direkt in einem Zimmer, das recht klein und auch karg möbliert war. Die Stühle, der Tisch und auch der Schrank sahen sehr gebraucht aus, als wären sie aus zweiter Hand erworben worden. In der Wohnung war es ruhig. Bis zum Schlafzimmer oder dem Raum, in dem sich Cynthia immer auszog, war Dancer noch nicht vorgedrungen. Er sah nur die zweite Tür, die allerdings geschlossen war.
Vor ihr blieb er stehen. Joel holte sich die Lage der Wohnung noch einmal ins Gedächtnis zurück und wußte mit Bestimmtheit, daß hinter dieser Tür das Zimmer lag, das er kannte.
Etwas nervös war er schon. Okay, sie hatten miteinander geschlafen, aber so vertraut waren sie trotzdem nicht miteinander, daß er einfach eine Tür öffnete und ein fremdes Zimmer betrat.
Das war ihm komisch.
Er tat es trotzdem.
Die Tür schwang nach innen. Dancer blieb noch vor der Schwelle stehen, weil er sich einen ersten Eindruck verschaffen wollte, und der genau kam ihm zupaß.
Das Zimmer sah so aus, wie er es von seiner Wohnung aus hatte immer einsehen können.
Die Tapete, der Sessel, auf dem Cynthia ihre Kleidung stets abgelegt hatte, die beiden Fenster und ein großes Bett, in dem zwei Personen Platz hatten.
Im toten Winkel stand ein schmaler Kleiderschrank, aber der interessierte ihn nicht. Und er sah auch die leere Wand. Die wiederum erinnerte ihn an das Monstrum, das er gesehen oder auch nicht gesehen hatte.
Monstrum? Wand?
Er kam nicht mehr damit zurecht. Er wollte es auch nicht. Ihm war eine andere Idee gekommen. In seiner Bude vermißte ihn niemand.
Also konnte er ebensogut hier warten und darauf hoffen, daß Cynthia so schnell wie möglich zurückkehrte, denn sie war anscheinend nicht anwesend. Sicherheitshalber schaute er noch in den anderen, sehr kleinen Räumen nach. Das Bad war ebenso winzig wie die Küche. Es stand seinem in nichts nach.
Er wollte dort warten, wo sich Cynthia stets ausgezogen hatte. Mit langsamen Schritten ging er im Zimmer auf und ab. Er schaute sich jedes Detail an, er strich auch mit der Hand über verschiedene Gegenstände hinweg, denn an und in allem hing noch ihr Duft. Das waren noch alles Stücke von ihr, von seiner Königin und Göttin.
Auf dem Gesicht wollte das Lächeln nicht weichen. Bei ihm vermischten sich die Bilder. Er durchwanderte die Realität, aber oft genug schoben sich die Ereignisse der vergangenen Nacht in diesen Film hinein und überlagerten ihn.
Er
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