1023 - Monster-Queen
Punkt. Wer hat denn in der letzten Nacht mit mir im Bett herumgebumst? Wer?«
Cynthia Carinelli holte laut und saugend Luft. »Was hast du da gesagt?« flüsterte sie. »Herumgebumst?«
»Klar. Du bist zu mir gekommen. Streite das nicht ab.« Er deutete einige Male auf das Fenster. »Ich wohne gegenüber. Ich habe dir oft genug zugeschaut. Ich weiß genau, wie scharf du bist. Du hast dich jeden Abend vor dem Fenster ausgezogen. Das konnte ich gut sehen, und du hast auch Bescheid gewußt. Dann bist du zu mir gekommen, und wir haben es verdammt heiß miteinander getrieben. So, das wollte ich dir sagen. Jetzt bist du an der Reihe.«
Die Frau sagte nichts. Sie starrte Dancer nur an. Der Blick ärgerte ihn, denn er war abschätzend, als würde sie ein Stück Vieh betrachten und keinen Menschen. Ihre Tasche glitt zu Boden. Dann schob sie die Unterlippe hervor. Dancer kannte diesen Gesichtsausdruck, aber er achtete nicht darauf, weil er zu gespannt auf die Antwort war, und die ließ nicht lange auf sich warten.
»Hast du dich schon mal im Spiegel angeschaut?«
»Jeden Morgen.«
»Sehr gut. Solltest du aber öfter tun. Du scheinst vergessen zu haben, wie du tatsächlich aussiehst.« Sie lachte ihn scharf an. »Glaubst du eigentlich, daß ich mit so einem wie dir ins Bett gehen würde? Du hast wohl deinen Verstand ausgekotzt. Nein, Typen wie dich widern mich an. Daran habe ich kein Interesse.«
Joel Dancer schluckte die Beleidigung wie einen schwer verdaulichen Brocken. Er wußte selbst, daß er nicht der Schönste war, darauf hätte sie ihn nicht erst hinzuweisen brauchen. Aber beleidigen ließ er sich auch nicht, und die letzte Nacht war kein Traum gewesen.
Ebensowenig wie die Gestalten in der Wand.
»Warum streitest du alles ab? Warum willst du nicht zugeben, daß wir miteinander im Bett gelegen haben?«
»Du hast geträumt!«
»Nein, habe ich nicht.«
»Hau ab!« brüllte sie ihn an. »Hau endlich ab, verflucht noch mal. Geh in deine Wohnung. Leg dich aufs Bett. Da kannst du von mir träumen, aber laß dich hier nie wieder blicken.«
Dancer holte einige Male Luft. Er wußte nicht, was er dieser Person entgegenhalten sollte. Cynthia hatte so verdammt hart gesprochen, wie jemand, der von seiner Sache voll und ganz überzeugt ist.
Sie trat zurück und zerrte die Tür auf. »Mach, daß du wegkommst, du verdammter geiler Stinker.«
Dancer war bei jedem Wort zusammengezuckt. Danach allerdings richtete er sich kerzengerade auf. »Ja, ich werde gehen, aber das war noch nicht das Ende.«
»Für mich schon.«
Er räusperte sich, schaute sie noch einmal an. Lag da nicht ein Wissen oder Lauern in ihrem Blick? War alles nur Theater? Hatte sie nicht bewußt diese Karte ausgereizt?
Er konnte es nicht sagen. Er war auch zu sehr durcheinander und mußte sich erst einen Ruck geben, bevor er losstürmte und Cynthia keinen Blick mehr zuwarf.
Er stolperte durch das Treppenhaus nach unten. Erst draußen kam Joel einigermaßen zu Besinnung. Da wischte er über seine schweißnasse Stirn. So wie ihm mußte es Menschen ergehen, die vom Himmel in die Hölle gerutscht waren, da nagte die Enttäuschung so tief in ihm wie der Biß einer Ratte.
Mit gesenktem Kopf stolperte er über die Straße. Die Blicke der anderen Menschen brannten auf seinem Körper. Er fühlte sich von ihnen regelrecht ausgelacht. Am liebsten hätte er sich in das berühmte Loch verkrochen. Damit mußte er warten, bis er in seine Wohnung gestürmt war. Dort schrie er seine Wut hinaus, warf sich auf sein Bett und trommelte mit den Fäusten gegen die Unterlage.
Dancer mußte seinen Frust und seine Wut einfach loswerden. Anders ging es nicht. Es dauerte eine Weile, bis er wieder normal geworden war und sich aufrichten konnte.
»Dieses verdammte Flittchen«, keuchte er vor sich hin, »dieses verfluchte Weib. Macht einen erst scharf durch den Striptease, kommt mich noch besuchen und tut später so, als wäre ich der letzte Dreck.« Die Szene in der Wand hatte er vergessen, denn er war noch stärker durch die letzte Begegnung aufgewühlt worden.
Er stöhnte auf. Preßte die Hände gegen sein Gesicht und nahm die eigenen Gedanken wie Hammerschläge wahr. Sie war es! schoß es durch seinen Kopf. Verdammt noch mal, sie war es. Daran gibt es nichts zu rütteln. Sie ist es gewesen. Sie hat mich besucht, und sie war auch das Weib in der Wand. Ein und dieselbe Person. Wie ein Ei dem anderen, so haben sie sich geglichen.
Dancer saß starr. Seine Hände sanken nach unten.
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