1023 - Monster-Queen
Wie ein Ei dem anderen, dachte er.
Eineiige Zwillinge!
Kalt rieselte es seinen Rücken hinab. War das die Lösung? Gab es diese Frau zweimal? Einmal normal und zum anderen in der verdammten Wand als Spukbild? Eingekerkert in einer anderen Welt, zusammen mit einem Monstrum?
Zwar brach für Joel keine Welt zusammen, aber eine Logik oder einen begreifbaren Sinn bekam er in seine eigenen Gedanken nicht hinein. Da lief zuviel nebenher.
Auch wenn ich es tatsächlich mit einem Zwilling zu tun habe, sagt das noch lange nichts darüber aus, wie dieser eine Zwilling in der Wand zusammen mit einem Monster hat leben können? Oder in einer anderen Welt. Und wie sie da überhaupt hineingekommen sind und sich dann noch zeigen konnten?
Joel kam damit nicht zurecht. Immer wieder schüttelte er den Kopf und stellte sich die Frage erneut, ohne sich jedoch eine Antwort geben zu können.
Aber er war ruhiger geworden und sah schon dies als Vorteil an.
Dancer gehörte nicht unbedingt zu den Menschen, die für eine Sache großartig kämpften und sich einsetzten. Er war mehr der Opportunist, der lieber einen anderen Weg ging, bei dem es so gut wie keine Schwierigkeiten gab.
Diesmal allerdings wollte er es wissen. Er ballte die Hände zu Fäusten. Er wollte sich auf keinen Fall so abschmettern lassen, auch nicht von einer Traumfrau wie Cynthia Carinelli. Er war ein Mensch, er war keine Maschine. Auch er hatte Gefühle, und die letzte Nacht war kein Traum gewesen, sondern Realität.
Sie hatte ihn in seiner Wohnung besucht. Sie war wild gewesen wie ein Raubtier. Sie hatte alles mit ihm gemacht, und sie hatte ihm seine geheimsten Träume erfüllt.
Davon wollte sie nichts mehr wissen, aber Dancer nahm sich vor, nicht aufzugeben.
Dazu mußte er sein Zimmer verlassen, und er begab sich an seinen Stammplatz im Bad.
Die Luft roch noch feucht. Deshalb ließ er die Tür offen. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, hätte er eine Dusche vertragen können.
Darauf verzichtete er. Für Dancer war wichtig, so rasch wie möglich wieder ans Fenster zu kommen, wo sein Fernglas noch immer auf dem Stativ stand und auf ihn wartete.
Die Optik war beschlagen. Das machte nichts. Dancer reinigte sie mit einem bereitliegenden Spezialtuch und hatte wenig später wieder den perfekten Blick des Voyeurs.
Die Schärfe stellte er noch um eine Idee nach. Wieder lagen die beiden Fenster zum Greifen nahe vor ihm. Cynthia hatte die Gardinen Vorziehen können, darauf hatte sie verzichtet, als wollte sie Joel bewußt einen freien Blick garantieren.
Den genoß er.
Er sah den ehemaligen Traum seiner Begierde, der doch kein Traum mehr war. Er hatte sie erlebt, genossen, er hatte mit ihr im Bett gelegen, auch wenn es diese Frau nicht wahrhaben wollte.
Sie hielt sich im Zimmer auf und traf auch keine Anstalten, es zu verlassen. Nahezu locker ging sie auf und ab. Selbst der Wand warf sie keinen interessierten Blick zu. Sie schien nur mit sich selbst beschäftigt zu sein.
Auf einmal blieb sie stehen.
Dancer lächelte, denn er kannte die Haltung. Sie hatte sich direkt vor dem rechten der beiden Fenster postiert, schaute durch die Scheibe, und wenn ihn nicht alles täuschte – das war bestimmt nicht der Fall – bohrte sich ihr Blick bis in das Bad, als wollte sie ihn beobachten und nicht umgekehrt.
»Das ist doch verrückt!« hauchte er. »Das kann ich nicht glauben. Die zieht da die Schau ab. Fehlt nur noch, daß sie…«, den Rest des Satzes verschluckte er, denn seine Gedanken wurden von der Realität überholt.
Cynthia hatte die Arme sinken lassen. Mit beiden Händen hielt sie den Saum ihres Sweat-Shirts umfaßt. Locker bewegte sie die Schultern und schaute dabei über die gekreuzten Arme hinweg auf das Fenster des anderen Hauses.
Dort hockte Joel und verstand die Welt nicht mehr. Denn Cynthia tat das, das sie noch vor einer halben Stunde vehement abgestritten hatte. Sie fing an, sich auszuziehen…
***
Dancer wollte es nicht fassen. Längst hatte er einen trockenen Mund bekommen. Diesmal stand leider kein Bier bereit. Er wollte es auch nicht holen, sonst hätte er etwas verpaßt.
Das Shirt hatte Cynthia nur leicht angehoben. Der Zuschauer sah einen Teil ihrer Haut oberhalb des Bauchnabels, mehr allerdings nicht. Sie aber ließ sich Zeit. Sie lächelte ihm zu. Wieder produzierte sie ihren Schmollmund, was er wirklich durch die Optik überdeutlich zu sehen bekam. Sie wußte genau, daß sie beobachtet wurde.
Sonst hätte sie sich nie so benommen. Außerdem war
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