1023 - Monster-Queen
einem Bluff aufgesessen ist, ebenso wie wir? Das wird ihm zwar nicht passen, aber es ist nicht zu ändern.«
Suko schwieg zunächst. Dann strich er über seine Stirn. Ich kannte diese Geste und wußte, daß er ein Problem hatte, über das er nachdachte. Möglicherweise horchte er auch nur auf sein Gefühl. Er rückte schließlich damit heraus. »Auch wenn du mich für halb durchgeknallt hältst, John, aber ich kann mir nicht helfen. Ich traue dieser Cynthia Carinelli einfach nicht.«
»Du meinst, sie hätte uns belogen?«
»So ähnlich«, gab er zu.
»Frage, Suko: Wie kommst du darauf?«
»Ich habe nichts, das mein Gefühl beweist. Nur eben dieses komische feeling.«
»Sonst nichts?« hakte ich nach.
Suko ließ zwei Frauen vorbei, die Einkaufstüten trugen. Eine trug noch ihr Kind in einem Tragesack auf dem Rücken. »Ich weiß nicht, aber es war schon alles ein wenig seltsam. Hast du mal aus dem Fenster heraus zur anderen Seite geschaut?«
»Nein.«
»Aber ich.«
»Und weiter?«
»Du weiß, daß ich ziemlich gute Augen habe. Die Fenster des gegenüberliegenden Hauses waren auf der dritten Etage sehr blank geputzt. Im Gegensatz zu den anderen Scheiben. Sie glänzten. Da keine Sonne schien, spiegelten sie zum Glück nicht. Deshalb konnte ich auch hinein- oder hindurchschauen.«
»Mach’s nicht so spannend. Was hast du gesehen?«
»Keine Person. Dafür einen dunklen Gegenstand direkt hinter der Scheibe. Ich mußte schon dreimal hinschauen, um ihn genau erkennen zu können. Es war ein Fernglas, das dort auf einem Stativ stand. Ja«, wiederholte er, als er meinen ungläubigen Blick sah. »Hinter der Scheibe stand ein Fernglas.«
»Ohne Benutzer?«
»Den habe ich nicht gesehen. Die Richtung ist klar. Wer immer sich hinter dem Glas aufhält, der kann haargenau in die Wohnung einer gewissen Cynthia Carinelli schauen und bekommt dort jede Kleinigkeit mit, je nachdem wie gut die Optik ist. Verstehst du jetzt, was ich damit andeuten möchte?«
»Irgendwo schon«, gab ich zu. »Entweder ist der Mann ein Spanner, oder er hat andere Gründe, um die Wohnung einer alleinstehenden Frau zu beobachten.«
»Sowohl als auch.«
»Mit anderen Worten, du willst ihn fragen.«
»Du nicht, John?«
Ich zwinkerte meinem Freund zu. »Jetzt auch, Suko.«
»Dann komm.«
Wir überquerten die Straße…
***
Joel Dancer verstand die Welt nicht mehr. Er befand sich in seinem eigenen Bad und glaubte trotzdem, von irgendwelchen Kräften gepackt und weggeweht worden zu sein. Was da gebückt stehend die Tür ausfüllte, das gehörte überallhin, in einen Film, in einen Roman, nur nicht in die Realität, aber dort hielt es sich leider auf.
Es war das Untier mit dem rotbraunen Fell, dem eiförmigen, breiten Kopf, den beiden recht spitzen Ohren und dem großen Maul, das natürlich offenstand, so daß der Geifer freie Bahn hatte, um über die Unterlippe zu fließen und als dicker Tropfen auf den Boden zu klatschen.
Dancer konnte nichts tun. Er bewegte sich nicht einmal. Und trotz der Starre hörte er seinen eigenen Herzschlag nicht, so daß er befürchtete, daß dieser schon ausgesetzt hatte, weil der Schreck und der Schock einfach zu groß geworden waren.
Er konnte nichts tun. Er kam nicht weg. Er konnte nur aus dem Fenster springen, doch das wäre bei dieser Höhe für ihn der sichere Tod gewesen. Auf der anderen Seite starrte ihn das Monster an, und er hatte das Gefühl, daß er ebenfalls den Tod in einer anderen Verkleidung sah. Wobei der Begriff Verkleidung eigentlich nicht zutraf, weil er nicht daran glaubte, daß unter diesem Fell ein Mensch steckte.
Nein, das Monstrum war echt.
Er roch es auch.
Es war ein widerlicher Gestank. Nach Pech, nach Schmutz, nach Ekel, nach einer fremden Welt, als hätte das Monstrum die Hölle verlassen. So ähnlich mußte es gewesen sein, denn er selbst hatte in dem Haus gegenüber einen Blick in diese andere Welt werfen können. Und Cynthia hatte getan, als wäre alles normal.
Es war noch immer gefesselt. Nur half dem Mann das nicht weiter, denn auch in dieser Lage war es gefährlich genug.
Allmählich fanden seine Gedanken wieder zurück in die Normalität. Er konnte sich mit dem Anblick auseinandersetzen, obwohl er sich noch immer fühlte, als hätte man ihm den Magen von zwei verschiedenen Seiten zusammengepreßt.
Er dachte an Cynthia.
Aber an die andere. An die mit dem Schwert, die dem Monstrum sicherlich hätte paroli bieten können. Die Klinge war breit und lang genug gewesen, um
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