1025 - Ich töte jeden Sinclair!
wieder zog Suko die Nase hoch.
Da war der Geruch. Diesmal sogar intensiver, als hielt sich die Person ganz in der Nähe auf.
Er holte tief Luft.
Auf den ersten Blick hin präsentierte sich das Arbeitszimmer leer.
Aber nur auf den ersten, denn aus dem Sessel, in dem sonst immer Horace F. Sinclair gesessen hatte, erhob sich eine Gestalt.
Es war eine Frau.
Damit hatte Suko nicht gerechnet, aber er konnte seine Überraschung in Grenzen halten.
Die Frau war ihm unbekannt. Sie trug ein helles Sommerkleid.
Den Mantel hatte sie über einen Globus gehängt. Ihr blondes Haar war kurz geschnitten. Das Gesicht zeigte schmale, feine Züge. Eine gerade Nase, einen breiten Mund, normale Augen, über denen die in die Stirn wachsenden Fransen hingen. Ein schmaler Hals. Viereckiger Ausschnitt. Eine dreireihige Perlenkette, die metallisch schimmerte, schmückte die Haut.
Die unbekannte Frau sagte zuerst nichts. Sie schien aber weniger überrascht zu sein als Suko. Zumindest hatte er den Eindruck. Es gelang ihm allerdings, sich wieder schnell zu fangen.
Mißtrauen und Staunen zeichneten das Gesicht der Unbekannten, die Suko auf dreißig Jahre schätzte. Sie atmete tief durch, wie jemand, der einen Entschluß gefaßt hatte.
Bevor sie etwas sagen konnte, stellte Suko ihr die Frage. »Darf ich fragen, was Sie hier machen, Madam?«
»Die gleiche Frage könnte ich Ihnen stellen.«
»Ich war zuerst…«
»Richtig«, unterbrach Suko sie. »Und es geht Ihnen bestimmt um die Sinclairs.«
»Selbstverständlich. Um wen sonst«, erwiderte sie mit einer Bestimmtheit, die Suko schon verwunderte.
»Klar. Aber wissen Sie auch, daß dieses Haus nicht mehr bewohnt ist, Madam?«
»Das habe ich mittlerweile festgestellt. Aber man hat mich gebeten, zu kommen.«
»Wer hat es getan?«
»Ein gewisser Sinclair.«
»Aha«, sagte Suko nur.
»Was heißt hier aha? Wenn ich Sie so anschaue, glaube ich kaum, daß Sie es sind, der mich herbestellt hat.«
»Da haben Sie recht.« Suko sah, wie die Frau nach Luft schnappte.
»Bevor Sie sich jedoch aufregen, möchte ich Ihnen sagen, daß ich so gut wie zum Haus gehöre oder gehört habe. Darf ich dann in aller Höflichkeit fragen, wie Sie heißen?«
Die Unbekannte lächelte mokant. »Wenn Sie schon das Wort Höflichkeit in den Mund nehmen, so gehört es sich doch wohl, daß sich der Mann zuerst vorstellt.«
»Werde ich gern tun. Mein Name ist Suko.«
»So? Mehr nicht?«
»Es dürfte reichen. Und wie darf ich Sie anreden, Madam?«
Die Blonde lachte. »Das ist ganz einfach. Ich heiße Sinclair – Karen Sinclair…«
***
Mit einem schnellen Schritt war ich zur Seite getreten, ging noch einen und hatte die innere Seite der Friedhofsmauer erreicht, die mir so etwas wie Rückendeckung gab.
Dort blieb ich stehen und dachte über die Drohung des Mannes nach.
»Ich töte jeden Sinclair!«
Geklungen hatten die Worte wie ein finsterer Schwur. Aber der Sprecher hielt sich leider verborgen. So sehr ich mich auch bemühte, ich bekam ihn nicht vor die Augen. Dabei war mir klar, daß er hier irgendwo auf dem Friedhof steckte und dessen natürliche Umgebung als Deckung ausgenutzt hatte.
Er sah mich, ich sah ihn nicht.
Das paßte mir nicht, und ich überlegte mir meine Strategie. Es war sicherlich besser, wenn ich in die Offensive ging und dabei versuchte, ihn zu provozieren.
»Eine nette Drohung!« rief ich zurück. »Sind Sie auch sicher, daß Sie sie einhalten können?«
Er lachte wieder. Dieses Lachen kannte ich. Es hinterließ eine Gänsehaut auf meinem Rücken. So abrupt wie es aufgeklungen war, so schnell stoppte es auch wieder. »Habe ich meine Drohung nicht schon ausreichend bewiesen, John Sinclair? Denken Sie an die beiden Toten. An Luke und Ian Sinclair. Und jetzt sind Sie an der Reihe – unter anderem«, fügte er noch hinzu.
»Das habe ich mir gedacht. Ich warte auch darauf. Aber ich habe nicht damit gerechnet, es mit einem Feigling zu tun zu haben, das muß ich Ihnen ehrlich sagen.«
»Wieso Feigling?« höhnte er zurück.
»Weil Sie sich nicht zeigen!«
»Ich bin doch hier«, erklärte er lachend. »Und ich bin ganz in Ihrer Nähe, Sinclair.«
»Und wo?«
»Auf dem Friedhof. Es ist nett hier. Ich freue mich auch, daß hier zwei Sinclairs begraben liegen. Das erspart mir Arbeit, denn sie hatte ich auch auf der Liste.«
»Lassen Sie die Toten in Ruhe, verdammt!«
»Ja, ja, schon gut. Ich weiß ja, daß Sie das aufregt, John.« Er konnte das Lachen nicht unterdrücken, so einen
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