1025 - Ich töte jeden Sinclair!
großen Spaß bereitete ihm die Unterhaltung. »Aber nicht alle Sinclairs waren immer nur gute und ehrbare Menschen.«
»Was meinen Sie denn damit? Meine Eltern.«
»Das herauszufinden überlasse ich Ihnen.«
»Wie praktisch. Dabei dachte ich, daß Sie mich töten wollen.«
»Das wird noch kommen, keine Sorge.«
»Und was gibt Ihnen das Recht, Menschen mit dem Namen Sinclair zu verfolgen und zu töten?«
»Weißt du es denn nicht?«
»Nein, ich bin kein Hellseher.«
»Dann will ich es dir sagen. Ich bin ein Kenner der Materie, ein guter Kenner sogar. Ein Kenner, wie es nur ein Mitglied der großen Familie sein kann.«
»Wie war das?« rief ich, denn die Antwort konnte ich mir schon selbst zusammenreimen.
»Weil ich ebenfalls Sinclair heiße, John…«
***
Man lernt nie aus. Verdammt noch mal, damit hätte ich nicht gerechnet. Das war die perfekte Überraschung. Dieser verdammte Killer hieß tatsächlich Sinclair! Für mich gab es keinen Grund, an seiner Antwort zu zweifeln. Er war ein Mörder, ein Killer, eine zweibeinige Bestie, wenn ich an den Anblick des ermordeten Namensvetters dachte, aber er war ein Sinclair. Und auch diese Tatsache machte mich wütend. Da existierte also ein Mörder mit meinem Namen.
Ich fühlte mich in den nächsten Sekunden verdammt schlecht.
Mein Magen ging über in eine leichte Rebellion, und ich wußte auch, daß ich im Gesicht erbleichte.
Sinclair killte Sinclair!
Das war mehr, als ich vertragen konnte. Das war schon der reine Wahnsinn. Alle in Frage kommenden Personen hätte ich für den Mörder gehalten, nur keinen Mann mit dem Namen Sinclair.
»Na, wieder normal, John?« höhnte er.
»Das war ich immer.«
»Kann sein. Aber du bist auch überrascht gewesen, denn mit dieser Wahrheit hast du nicht gerechnet.«
»Das gebe ich ehrlich zu.«
»Schön, John, dann können wir weitermachen.«
»Wollen Sie mich hier töten?«
»Ich denke darüber nach.«
»Gut, ich bin dafür. Am besten wird es sein, wenn Sie sich zeigen. Ich möchte wirklich gern sehen, wie ein Killer mit dem Namen Sinclair aussieht.«
Eine Antwort erhielt ich nicht. Allerdings sah ich, daß sich vor mir neben einem Grabstein einige Zweige bewegten, die zu einem Rhododendronstrauch gehörten. Der Wind war es sicherlich nicht, der damit gespielt hatte. Von der anderen Seite her hatte der Strauch einen leichten Druck gekommen, und einen Moment später schob sich tatsächlich eine Gestalt hervor.
Ein Sinclair, wenn ich seinen Worten trauen konnte.
Ich sah ihn, er sah mich, aber ich war wohl von diesem Anblick überrascht.
Es war schwer, denn vor mir stand ein Mensch, der eigentlich nicht im meine Zeit hineinpaßte. Wenn ich einen Vergleich herbeiholen wollte, dann wurde ich an eine historische Gestalt oder Persönlichkeit erinnert, wobei sie keinen geschichtliche Bedeutung besaß. Jedenfalls hatte ich sie noch nie auf einem Gemälde gesehen.
Dieser Sinclair, der seine Namensvettern so stark haßte, war eine hochgewachsene Gestalt, die dunkle Kleidung trug. Eine Jacke, die ihm bis weit über die Hüften hinwegreichte. Darunter ein helles Hemd mit einem Rüschenkragen, der allerdings vorn unter dem Kinn von einer Schleife bedeckt wurde. Hände mit langen Fingern sah ich ebenfalls. Sie fielen mir nur deshalb so stark auf, weil an ihnen Ringen waren, groß, bunt, in verschiedenen Farben wie Gold und Rot.
Zudem kam in mir der Eindruck auf, daß diese Gestalt zwar relativ weit von mir entfernt stand, mir aber trotzdem nahe war. Nur drei, vier Schritte weg. Das allerdings konnte auch auf einer Täuschung beruhen.
Über die dunkle Hose schaute ich geflissentlich hinweg, denn wichtig und vor allen Dingen prägnant war bei ihm das Gesicht und der gesamte Kopf.
Welch ein Kopf, welch ein Ausdruck in diesem Gesicht. Von einer schon widerlichen Arroganz, wie ich es bei Vampiren erlebt hatte, oder bei Menschen, die andere gern in den Staub traten, weil sie für sie nur Krumen waren.
Mit dem kalten Gesicht des Luzifers konnte ich dieses hier nicht vergleichen, obwohl sich Sinclair möglicherweise darum bemühte, ebenso auszusehen.
Augen, die nicht ganz geschlossen waren und deshalb dem Schwung der Brauen einen noch arroganteren Ausdruck verliehen.
Eine hohe Stirn, eine oben schmale Nase, die sich nach unten hin verbreiterte. Ihr folgte die Oberlippe und der Mund mit den schmalen Lippen, die verächtlich verzogen waren. Er drückte den Ekel und Widerwillen aus, den dieser Mensch der Welt entgegenbrachte.
Fehlte
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