103 - Das Geheimnis der Maske
mich.
Ich reichte ihr den Blumenstengel des Lebens, wie die Nabelschnur des Neugeborenen genannt wurde, und war sehr glücklich, denn diese Bitte bewies mir, daß Tomoe das Kind als das ihre akzeptierte und ihm ihre ganze Liebe schenken würde.
Es war ein alter Brauch, die Nabelschnur aufzuheben. Sie wird in viele Hüllen eingewickelt, und auf die oberste schreibt man den Namen von Mutter, Vater und Kind, das Datum und den Ort der Geburt. Dieser Hozo-no-o wird von den Eltern sorgfältig aufbewahrt. Die Nabelschnur wird mit dem Toten später beerdigt.
Ich durchsuchte das Schiff und fand einige Decken und andere nützliche Gegenstände.
Später setzte ich die Segel, doch ich wunderte mich, daß wir kaum Fahrt machten, obzwar ein recht kräftiger Wind blies. Das kam mir sehr seltsam vor.
Ich suchte das Meer ab und sah schemenhaft eine Gestalt, die unweit des Bootes einen Meter unter der Wasseroberfläche schwamm.
„Ein Kappa", sagte ich leise.
Jetzt wurde mir klar, weshalb sich das Schiff nicht bewegte. Der Kappa verhinderte es. Irgendwie war es ihm gelungen, ein Seil an der Dschunke zu befestigen. Mit Hilfe seiner schwachen magischen Kräfte konnte er das Schiff im Kreis herumziehen und die Fahrt stoppen.
In einer Kajüte hatte ich einen alten Bogen und einige Pfeile gefunden, die ich jetzt holte. Ich zielte nach dem Kappa und traf gut.
Der Meeresdämon schoß aus dem Wasser und stieß einen gellenden Schrei aus. Drohend hob er eine Hand.
„Verschwinde, du Monster!" brüllte ich ihm zu.
„Du kannst mich nicht einschüchtern, Schwarzer Samurai", kreischte er. „Ich stehe im Dienste des Kokuo. Er hat mir die Eingeweide der Frau und des Ungeborenen versprochen."
Ich lachte. „Dann komm an Bord, Kappa! Ich werde dich mit meinem Schwert in zwei Hälften teilen. Verschwinde und laß uns weiterfahren!"
„Ich werde die Frau bekommen, Schwarzer Samurai. Das verspreche ich dir."
Der Kappa verschwand im Wasser.
Er ließ tatsächlich nicht locker. Wir kamen kaum vorwärts. Land war noch immer nicht in Sicht, und unsere Lebensmittelvorräte neigten sich langsam dem Ende zu.
Während der Nacht schlief ich vor Tomoes Tür. Einmal wagte sich der Kappa an Bord, aber als ich auf ihn losging, sprang er sofort wieder ins Meer.
Doch plötzlich hatte die Dschunke ein Leck. Der Kappa hatte sie angebohrt. Ich pumpte wie verrückt, damit wir nicht absoffen.
Da hörte ich Tomoe schreien. Rasch lief ich an Deck.
Der Kappa war an Bord. Als er mich sah, wich er zurück. Ich griff nach dem Bogen. Der Kappa sprang nach rechts, da fiel sein Blick auf die Nabelschnur, die Tomoe zum Trocknen ausgebreitet hatte. Blitzschnell griff der Meeresdämon nach dem Hozo-no-o. Ich zielte und schoß. Der Pfeil bohrte sich tief in seinen Rücken. Er kippte auf die Reling. Grünes Blut rann aus seiner Wunde. Ich zog das Schwert, um ihn endgültig zu töten. Mühsam richtete er sich auf.
„Das ist mein Pfand", keuchte er und hob die Nabelschnur hoch.
Bevor ich ihn erreichte, fiel er über Bord. Das Wasser färbte sich langsam grün. Ich hatte den Kappa schwer verwundet.
Uns gelang die Flucht. Die Dschunke nahm plötzlich wieder Fahrt auf. Noch einmal tauchte der Kappa auf, doch er war zu geschwächt, um mir etwas anhaben zu können.
„Woran denkst du?" fragte mich Coco.
„Ich versuche mich zu erinnern, ob der Kappa, den wir gesehen haben, jener aus der Vergangenheit ist. Es gibt aber eine Möglichkeit, das zu erfahren."
„Und die ist?"
„Das ist zu kompliziert, um es dir mit ein paar Worten zu erzählen."
Ich holte den Vexierer hervor, während Coco neben der Ruine stehenblieb. Vor dem Festungsbrunnen stellte ich den Vexierer auf den Boden und setzte mich. Innerhalb von fünf Minuten hatte ich mich in einen Kappa verwandelt. Den Vexierer und verschiedene andere Gegenstände verbarg ich in einigen Hautfalten meines neuen Körpers.
Bis jetzt hatte ich mich immer in Menschen verwandelt, nun hatte ich eine ganz andere Lebensform gewählt. Der Körper des Kappa war auch mit Kiemen ausgerüstet. Ich konnte unter Wasser leben. „Ich springe jetzt in den Brunnen und suche nach dem echten Kappa. Errichte in der Zwischenzeit eine magische Falle um den Brunnen! Vielleicht taucht er auf. Dann können wir ihn gefangennehmen.
Kurz erklärte ich Coco, welche magische Falle sie errichten sollte.
Ich nahm die Schnurrolle an mich, stieg auf den Brunnenrand und sprang ins Wasser. Das Wasser war angenehm kühl.
Ich öffnete meine Augen.
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