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103 - Panoptikum der Geister

103 - Panoptikum der Geister

Titel: 103 - Panoptikum der Geister
Autoren: Larry Brent
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sein Kopf fiel zur Seite und ruckartig schlugen die langen
Vampirzähne zu. Der Geflügelte Tod saugte nur wenig Blut. Ihm kam es darauf an,
dem Opfer eine unheilbare Wunde beizufügen. Die beiden tiefen Löcher im Hals
waren wie Schleusen, die das Blut aus dem Körper des Mannes strömen ließen. Der
kostbare Lebenssaft versickerte in der weichen Humuserde, tränkte Laub und
sogar Käfer und Ameisen, die sich im Bereich der Blutlache aufhielten. Der Mann
starb an dem hohen Blutverlust. Mit dem Entweichen des Lebens aus seinem Körper
veränderte sich seine Haut. Es betraf die linke Schläfe. Die verfärbte sich,
und ein reliefartiges Gebilde, daumennagelgroß, das eindeutig ein Paar Fledermausflügel zeigte, entstand in der Haut. Das
Schreckensmal des Geflügelten Todes, sein Stempel, war entstanden. Der
Geflügelte wartete nicht mal ab, bis das Mal voll ausgebildet war. Er schwang
herum und stieß auf Larry Brent herab, um auch mit ihm kurzen Prozess zu
machen.
     
    ●
     
    Als sie
erwachte, war ihre erste Empfindung: Ich liege auf etwas, das hart ist wie
Stein und eiskalt. Morna Ulbrandson alias X-GIRL-C fror entsetzlich. Ihr
schlugen die Zähne aufeinander, und sie richtete sich mühsam auf. Sie hatte das
Gefühl, vor Kälte auf dem rauen Boden zu kleben. Tiefe Dunkelheit umgab sie,
und die Schwedin wusste nicht, wo sie sich befand. Sie begann ihre Glieder zu
massieren und merkte dabei, dass sie splitternackt war. Sie trug nichts mehr
auf der Haut. Selbst ihr Schmuck und der Anhänger mit dem gewichtigen Globus
waren verschwunden. Morna Ulbrandson dachte intensiv nach, während sie
versuchte, sich durch Massage und Bewegung Wärme zu verschaffen. Ihr Zustand
veränderte sich kaum. Das Verlies, in dem sie offenbar gefangengehalten wurde,
war lausig kalt. Sie schritt es ab. Ihre nackten Füße klatschten auf dem rauen,
eiskalten Boden. Morna fand heraus, dass es sich um eine Kammer handelte, die
etwa drei auf vier Meter maß. In einer Mauer befand sich ein nachträglich
geschaffener Durchbruch. Die Steine waren rau und unregelmäßig und ließen den
Schluss zu, dass hier irgendwann jemand mit Hammer und Meißel gewaltsam diesen
Durchlass herausgebrochen hatte. Mit Sicherheit konnte sie es allerdings nicht
sagen. Sie war in dieser nachtschwarzen Umgebung, in der es keinen einzigen
Funken Helligkeit gab, einzig und allein auf ihren Tastsinn angewiesen. Und der
war eingeschränkt durch die Kälte, die ihr zu schaffen machte.
Einrichtungsgegenstände gab es in dem fensterlosen Verlies nicht. Nicht mal
eine Bank oder eine Kiste. Die Kammer war vollkommen leer.
    Wo befand sie
sich, wie kam sie hierher und warum ausgerechnet in diesem Zustand? Wer hatte
sie entkleidet? Morna Ulbrandson rief sich die letzten Minuten vor dem Eintritt
ihrer Bewusstlosigkeit ins Gedächtnis zurück. Das Auftauchen von Leila Sheltons
Geist... die seltsamen Worte der Toten und der Name Bertrandbeschäftigten die
Schwedin. Leila Sheltons nicht minder gespenstische Autofahrt und dann die
Explosion des Hauses ...
    Normalerweise
hätte die PSA-Agentin inmitten des Trümmerfeldes zwischen Steinen und Staub zu
sich kommen müssen. X-GIRL-C fühlte das verkrustete Blut an der Schläfe. Die
Verletzung war schon einige Stunden alt. Die Schwedin musste husten und niesen.
Wenn sie sich noch lange in diesem Aufzug durch das stockfinstere Gewölbe
bewegte, holte sie sich vielleicht eine Lungenentzündung. Morna sehnte sich
nach einem heißen Getränk und nach wärmender Kleidung. Die Vorstellung, am
prasselnden Feuer eines Kamins zu sitzen, wurde so intensiv in ihr, dass sie
das innerlich geschaute Bild förmlich vor sich sah. Mit dem Auftauchen des
Geistes von Leila Shelton waren die normalen physikalischen Gesetze
durchbrochen worden. Dass die Seelen Toter, die durch Gewalt umgekommen waren,
oft an den Ort der Bluttat zurückkehrten, war keine Seltenheit. Die Geschichte
kannte viele Spukhäuser, in denen es umging und ruhelose Seelen die Lebenden
erschreckten. Bei Leila Shelton aber war dieses Auftauchen nicht auf einen
bestimmten Punkt begrenzt. Sie hatte sich sogar vom Haus entfernt und
behauptet, hier nicht herzugehören ... Was diese geheimnisvolle Bemerkung einer
ihr erschienenen Toten bedeuten sollte, darüber rätselte Morna vergebens.
Ebenso wie über die Tatsache, dass eine mächtige geistige Brücke
zusammengestürzt sein musste, die mit Leila Sheltons Haus zu tun hatte. Die
gleiche Kraft musste ihren Organismus irgendwohin versetzt haben.
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