1030 - Das Ende einer Hexe
hätte zu Ihren Aufgaben gehört.«
»Von Ihnen lasse ich mich nicht belehren.«
»Das sollten Sie aber. Noch haben Sie Zeit. Es könnte auch anders kommen und für Sie zu einem Bumerang werden. Ich sage das nur, damit Sie später nicht behaupten können, Sie hätten nichts gewußt.«
»Kollege, wie?« fragte er und lachte.
»Ja, ein Kollege.«
Er lachte mich an oder aus. Dann schüttelte er den Kopf und verließ mich.
Ich verstand die Welt nicht mehr und machte mir auch Selbstvorwürfe, nicht richtig gehandelt zu haben. Schon beim Betreten des Hotels hätte ich wachsamer sein müssen. Die Ermordete auf dem Bett war dann der absolute Hammer gewesen.
Okay, da war ich gewarnt worden, aber die Uniform des Konstablers hatte mich schließlich eingelullt. Man traute ja normalerweise einem Kollegen nichts Böses zu.
Bis auf Ausnahmen eben.
Ausgerechnet die hatte ich erlebt.
Verdammt auch. Wie ein Anfänger war ich in die Falle getappt. Ich hatte mich auf ein lockeres Wochenende gefreut. Auf ein Wiedersehen mit den alten Klassenkameraden. Was war daraus geworden? Ich steckte in einer Zelle und wußte nicht, wann ich wieder freikam.
Sinclair, sagte ich mir im Stillen, du bist ein verdammter Idiot. Aber auch ein Mensch. Und Menschen haben nun manchmal gewisse Blackouts…
***
Der Mann saß auf einem alten Stuhl mit halbrunder Lehne, hatte die Beine übereinandergeschlagen und schaute sich interessiert im Büro der kleinen Polizeistation um, obwohl er die Einrichtung längst kannte, da er schon einige Zeit hier verbracht hatte.
Es gab keinen Computer. Nicht einmal ein Faxgerät. Es war nur ein schwarzes Telefon vorhanden.
Auch das sah vorsintflutlich aus, ebenso wie der alte Schreibtisch, der seine Stabilität allerdings nicht verloren hatte. Das Holz war im Laufe der Zeit dunkel geworden. In diese Patina hatten sich Tintenflecke hineingegraben oder waren mit spitzen Gegenständen Zeichen und Namen hineingeritzt worden.
Die Wände schmückten alte Fahndungsplakate. Die Lampe war mit Fliegendreck gesprenkelt, der Boden sah grau aus und durch die Scheiben der beiden Fenster fiel der Blick in eine Seitenstraße hinein und auf die Fassade eines anderen Hauses, das sich tief in die Schatten mehrerer Bäume duckte.
Trotzdem tanzten Lichtreflexe wie Girlanden durch die Fenster und legten helle Inseln in das Office.
Der Mann wartete. Er hatte sich so günstig hingesetzt, daß er sowohl die Fenster als auch die Tür im Auge behalten konnte. Und er wußte, daß er sich auf Harriman verlassen konnte. Dieser Mensch spielte hervorragend mit. Man hatte ihn nur aus seiner Lethargie wecken und ihm so etwas wie Verantwortung zuteilen müssen. Da war er angesprungen wie ein Motor, der nur auf das Startsignal gewartet hatte.
Frustrierte Menschen waren immer gut zu leiten oder zu formen. Da konnte man sie mit weichem Wachs vergleichen. Harriman war frustriert. Er wußte, daß seine Abteilung aufgelöst werden sollte.
Noch im laufenden Jahr würde das geschehen. Er mußte mit seiner Versetzung rechnen, und das alles hatte einen starken Frust in dem Konstabler aufsteigen lassen. Gleichzeitig war er gierig auf einen Erfolg gewesen, auf etwas Besonderes, und das war nun eingetreten. So hatte auch Harriman wieder Hoffnung schöpfen können. Wenn er einen großen Fall löste, würden die Vorgesetzten der Verwaltung möglicherweise umdenken und ihm den Job in Passing Bridge lassen.
Ein Irrtum.
Der Wartende wußte es. Er hatte sich natürlich gehütet, Harriman etwas davon zu sagen. Nein, dieser Konstabler war der ideale Mensch für sein Vorhaben.
Der Mann gähnte. Die Warterei war langweilig. Das paßte ihm nicht, weil er zu den Menschen gehörte, die immer etwas in Bewegung setzen mußten. Still sein konnte er nicht. Er war stets agil. Er mußte planen, handeln und gewisse Dinge durchziehen.
Aber er würde nicht mehr lange zu warten brauchen. Aus dem Zellengang hatte er die Schritte und auch die Stimme gehört. Und sogar das Geräusch, mit dem die Zellentür zugefallen war.
Jetzt steckte Sinclair fest.
Ein kurzes meckerndes Lachen löste sich aus der Kehle des Wartenden. Es war alles wunderbar gelaufen. Der Plan stimmte bis tief in jedes Detail hinein. Die Maus war in die Falle gelaufen, obwohl sie über Wochen hinweg offengestanden hatte.
Es dauerte nicht mehr lange, da wurde die Tür zum Büro aufgestoßen. Sie verband den Zellentrakt mit dem Office, und Harriman war gespannt darauf, wie sein Besucher reagieren würde, wenn
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