1030 - Das Ende einer Hexe
er ihm von seinen Erfolgen berichtete.
Kurz hinter der Tür blieb der Konstabler stehen. Er wollte es nicht, aber er kam nicht darum herum.
Obwohl er sich an den Fremden längst hätte gewöhnen müssen, blieb bei ihm die Gänsehaut nicht aus, wenn er ihn wieder sah.
Der Mann hatte sich ihm als Rodney Quiller vorgestellt. Das besagte weiter nichts, aber er sah so ganz anders aus als die Menschen, die hier in Passing Bridge lebten. Über Typen wie ihn hatte Harriman schon gehört oder gelesen, sie jedoch nie persönlich zu Gesicht bekommen. Das war nun anders geworden.
Quiller war ein Albino!
Ein großer kantiger Mann mit sehr hellen Haaren, einer ebenfalls hellen Haut, aber mit rot umränderten und rot geäderten Augen versehen, die wie künstlich und in die Höhlen eingesetzt wirkten.
Ein Unsympath mit seinen langen, in den Nacken hineinwachsenden Haaren und der sehr hellen Haut.
Durch die dunkle Kleidung wirkte die Haut möglicherweise noch heller als sie eigentlich war. Rodney Quiller trug ein schwarzes Hemd, darüber eine dunkelgraue Weste aus Wildleder und eine ebenfalls schwarze Hose. Sein Gesicht zeigte kaum eine Regung. Es schien wie aus Stein gemeißelt zu sein.
Locker schaute er dem Konstabler entgegen, dabei die breite und hohe Stirn in leichte Falten gelegt.
Der Konstabler schloß hinter sich die Tür. Er war froh darüber, daß die Gänsehaut verschwunden war. Der andere brauchte nicht zu sehen, wie es ihm wirklich ging und was innerlich bei ihm los war.
»Nun?« fragte Quiller.
Harriman gab noch keine Antwort. Er wollte erst hinter dem Schreibtisch sitzen. Dort fühlte er sich wohler und sicherer. Die alte Schreibmaschine aus den Sechziger Jahren schob er zur Seite, um die Ellenbogen aufstützen zu können.
»Es ist alles in Ordnung.«
Quiller lächelte dünn. »Gratuliere.«
Harriman errötete leicht über dieses Lob. »Es war ja nicht schwer.« Er stellte sein Licht bewußt unter den Scheffel.
Quiller zog die Nase hoch. Gelassen verschränkte er die Beine. »Und weiter? Ist alles so eingetroffen, wie ich es Ihnen gesagt habe, Konstabler?«
Harriman nickte. »Das ist es tatsächlich.«
»Wunderbar. Erzählen Sie.«
»Ich habe ihn bei der Toten erwischt.«
»Sehr gut. Hat er sich gewehrt?«
»Nur verbal.«
»Das dachte ich mir«, erklärte der Albino und sah sehr zufrieden aus. »Sinclair hat sicherlich versucht, Ihnen Lügen aufzutischen, nicht wahr? Hat er sich als Polizist ausgegeben?«
»Das tat er.«
»Aber Sie sind doch nicht darauf reingefallen?«
»Nein.«
»Bitte, ich höre.«
Harriman gab Rodney Quiller einen sehr detaillierten Bericht. Der Albino hörte zu und war beinahe versucht, sich die Hände zu reiben, als er erfuhr, daß Sinclair in der Zelle steckte.
»Wollen Sie ihn sehen, Mr. Quiller?«
»Nein, nicht unbedingt. Das muß nicht sein. Mir reicht auch Ihr Wort, Konstabler.«
»Oh, danke.«
»Aber reden Sie weiter, bitte.«
»Was soll ich sagen? Ich werde ihn erst einmal in der Zelle schmoren lassen, wie wir es besprochen haben. Killer bekommen bei mir keine Chance…« Er nickte, schaute aber sehr nachdenklich dabei und sagte dann: »Obwohl ich meine Zweifel bekommen habe.«
Sofort verschwand Quillers Gelassenheit. »Was meinen Sie damit, Mr. Harriman?«
»Zweifel daran, daß er der Mörder ist. Er trug die Waffe nicht bei sich, und er machte auf mich ansonsten den Eindruck eines Mannes, der nicht eben zu den Killern zählt.«
Der Albino schüttelte ärgerlich den Kopf. »So etwas müssen Sie sich abschminken, Konstabler. Dieser Sinclair ist ein Killer und auch ein Betrüger. Mit seiner Polizistenmasche versucht er, überall durchzukommen. Mal gelingt es ihm, mal nicht. In diesem Fall aber hat er sich geschnitten, das gebe ich Ihnen schriftlich. So einfach kommt er dabei nicht weg.«
»Sie kennen ihn gut?«
»Ja, ich bin ihm auf der Spur. Schon seit einigen Monaten behalte ich ihn im Auge. Aber das wollen wir vergessen. Wichtig ist, daß wir ihn haben. Lassen Sie ihn in der Zelle. Ich möchte nicht, daß er hier in Ihr Office kommt und anfängt, zu telefonieren. Das muß verhindert werden.«
»Weshalb denn?«
»Ich habe meine Gründe. Sinclair ist gefährlich. Die Tote im Hotel ist ein Beweis dafür. Sie ist nicht die einzige, die er auf dem Gewissen hat, Konstabler. Ich habe es Ihnen früher nicht gesagt, aber jetzt möchte ich damit nicht über dem Berg halten.« Quillers Gesicht nahm einen verschwörerischen Ausdruck an. »Dieser Sinclair, den
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