1034 - Kitas Kettenhund
allein.
Zwei Männer drängten sich an ihm vorbei.
Ein Weißer mit blonden Haaren und ein Chinese. Keine Gäste, die zur Szene gehörten.
Normalerweise wurden sie entfernt. Diesmal allerdings reagierte der Kettenhund. Er meldete sich mit einem leisen Laut, der wie ein verunglücktes Bellen klang.
Kita verstand die Botschaft. Sie drückte auf einen Knopf an der Wand rechts neben dem Spiegel. Im Entree erklang ein bestimmtes Signal, das den Portier anwies, die beiden Gäste einzulassen.
Plötzlich glänzten Kitas Augen. Sie rieb ihre Handflächen gegeneinander und flüsterte: »Das sind sie. Ja, das sind die richtigen…«
***
Wir hatten Kitas Keller erreicht und waren zunächst nur in der Nähe stehengeblieben, um uns einen Überblick zu verschaffen. Die Gegend war das, was man düster nennt. Viel Schatten, wenig Licht, das fahl über alte Hausmauern hinwegstreifte. Hier war noch nicht oder nur wenig saniert worden. So konnte sich das Flair des alten Soho ausbreiten, obwohl es das eigentlich nicht so gegeben hatte und nur durch Filme oder Schriften in Umlauf gebracht worden war. Das richtige Soho aus dem letzten Jahrhundert hatte ich nicht erlebt, aber ich kannte es als verfallen, mit Häusern, die wirklich eine Renovierung nötig hatten, weil auch die Versorgungsrohre verstopft oder defekt und oftmals auseinandergebrochen waren. Das hatte sich gelegt, aber es gab noch genug davon. Besonders in der Londoner Unterwelt. Das Kanalsystem war völlig überaltert und dementsprechend brüchig geworden.
Viel war nicht los. Die meisten Touristen wurden von dem neuen, gestylten Soho mit seinen Neonlichtern angezogen. Dort konnten sie sich amüsieren, aber auch ihren Döner essen, den Hamburger und jede Menge Fish & Chips. Die wenigen Passanten hier streiften wie streunende Hunde oder Katzen umher. Vielleicht waren sie auf der Suche nach Kommunikation, nach Nestwärme oder einfach nur nach sich selbst. Wer konnte das wissen, in einer Welt, in der die Einsamkeit immer mehr zunahm. Auch und vor allem in den großen Städten, in denen die Menschen nebeneinander her lebten.
Eine trotzdem gute Lage für Kitas Keller. Wir hatten uns schräg gegenüber aufgebaut und behielten ihn im Auge. Der Eingang brauchte keine Reklame. Zumindest sahen wir keine Leuchtschrift.
Wer kam, der wußte Bescheid.
Das Lokal wurde frequentiert. Suko und ich wunderten uns nur über die so »normal« gekleideten Menschen. Diese Besucher machten nicht den Eindruck, als wollten sie ein Lokal der Sado-Maso-Szene besuchen. Die meisten trugen Mäntel, zumindest Jacken, was mich zu einem leisen Lachen veranlaßte.
»Probleme?« fragte Suko.
»Nein, nicht mehr als sonst auch. Aber die Leute tarnen sich perfekt.«
»Wegen der Mäntel, meinst du?«
»So ist es.«
Suko hob die Schultern. »Ich könnte mir vorstellen, daß wir das eine oder andere bekannte Gesicht entdecken, wenn wir die Gäste aus der Nähe sehen.«
»Damit mußt du rechnen.«
Ein Portier bewachte den Eingang. Ein junger Mann mit Bomberjacke und Schuhen mit hohen Hacken. Er trug eine Baseballkappe, deren Schirm nach hinten wies. Wenn keine Gäste eintrafen, wanderte er vor dem Eingang auf und ab, die Hände in den Jackentaschen vergraben.
Er schaute sich die eintreffenden Gäste genau an. Die meisten waren ihm bekannt. Ihnen riß er die Tür auf. Es gab auch Besucher, die abgewiesen wurden.
Manche gingen sofort, andere ließen sich auf Diskussionen ein.
Wir hörten immer wieder das Wort »Club«. Nur bekannte Gesichter aus der Szene wurden eingelassen.
Für uns war das weniger gut. Wir würden uns auf eine Auseinandersetzung gefaßt machen müssen. Zwar wäre es leicht gewesen, die Ausweise zu zeigen, darauf wollte wir möglichst verzichten. Es hätte sich zu rasch herumgesprochen, wer da eingetroffen war.
Um zwei Minuten vor Mitternacht nickte mir Suko zu. »Packen wir’s?« fragte er.
»Nichts dagegen.«
»Und wie kommen wir rein?«
Ich grinste scharf. »Bestimmt nicht auf allen vieren.«
Wir überquerten die Straße und erregten dabei schon die Aufmerksamkeit des Türstehers, der seine Blicke überall hatte. Er ging einen Schritt zurück, so daß er mit dem Rücken nahe der Tür stand.
Die Arme winkelte er an und stemmte die Hände in die Hüften. Sein glattes Gesicht war angespannt, noch wußte er nicht, ob wir ihn passieren oder in das Lokal gehen würden.
Die zweite Möglichkeit traf zu. Kaum hatten wir vor ihm angehalten, hob er einen Arm. »Sorry, Freunde, das ist
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