1034 - Kitas Kettenhund
einem Stück. Das Gesicht war sehr bleich geschminkt, aber noch um eine Idee dunkler als die Haare, die wie eine Bürste auf dem Kopf wuchsen.
Der Mann kümmerte sich um die Garderobe der Gäste. Die meisten, die kamen, hatten normale Kleidung übergestreift. Zumeist Mäntel oder bis zu den Hüften reichende Jacken. Das galt für die Frauen ebenso wie für die Männer.
Allmählich füllte sich der Keller. Kita hatte sich hinter dem Einwegspiegel die Gäste genau angeschaut. Bisher war noch keiner gekommen, der nicht zur Szene gehörte. Sie kannte zumindest alle vom Ansehen, die wenigsten allerdings mit Namen, und die meisten waren sowieso falsch, denn ihre Gäste verbargen ihre wirkliche Identität, auch wenn sie sich auslebten.
Wieder schwang die Tür auf. Bewegung entstand innerhalb des offenen Vierecks. Der Türsteher ließ ein Paar durch, das Kita ebenfalls nicht unbekannt war. Anderen Menschen ebenfalls nicht, denn ihre Gesichter waren zu oft auf den Bildschirmen zu sehen. Bei Kita konnten sie sich sicher fühlen. Auch die beiden trugen ihre wahre Kleidung nicht offen zur Schau. Sie hatten lange Mäntel übergestreift, die sie jetzt an der Garderobe loswurden.
Der Mann half seiner Begleiterin aus dem Mantel. Sie war hellblond, wohlfrisiert und schwärmte für dunkles Leder. Das Korsett klebte auf ihrer Haut. Es hob die Brüste vorn so weit an, daß die mit Ringen gepearcten Brustwarzen hervortraten.
Kita mußte lächeln, als sie die Frau sah. Auf dem Bildschirm spielte sie die kühle Unschuld. Hier war sie das Gegenteil. Dunkle Netzstrümpfe und hochhackige Schuhe verstärkten ihr ungewöhnliches Outfit noch.
Der Mann war kleiner. Es konnte auch an den sehr hohen Absätzen liegen, daß sie ihn etwas überragte. Das dunkle Haar des Begleiters war straff zurückgekämmt. Auch er trug Lederkleidung, hatte aber um seinen Hals ein Band geschlungen und hielt die Tasche seiner Begleiterin fest, die aussah wie ein schwarzer Sack. Der Mann machte einen ziemlich devoten Eindruck, denn als er ging, beugte er seinen Kopf nach vorn. Auf seinem Gesicht lag ein leidender Zug.
Ganz im Gegensatz zu den Typen, die er in den Filmen mimte. Da war er stets der harte Mann, der über Leichen ging, um seine Ziele zu erreichen.
Wer hier das Sagen hatte, machte die Begleiterin sehr bald deutlich. Sie stieß eine Faust in den Rücken des Mannes, so daß dieser leicht ins Stolpern geriet und nach vorn auf den Eingang zuschritt, eine schwarze Schwingtür, die noch nicht ausgependelt war.
Er drückte sie auf und verbeugte sich, bevor er seine Herrin einließ. Kita lächelte hinter dem Spiegel. Als Opfer kamen die beiden nicht in Betracht. Sie waren einfach zu bekannt. Es wäre sehr schnell aufgefallen, wenn sie vom Bildschirm verschwunden wären.
Neben ihr jaulte der Kettenhund. Es war schon ein mitleiderregendes Geräusch. Kita streichelte ihm den Kopf und auch das Gesicht.
Er beleckte ihre Handfläche mit seiner feuchten Zunge und hinterließ auf der Haut eine dünne Schleimspur.
»Keine Sorge, wir werden noch jemand finden!« flüsterte Kita. »Da bin ich mir sicher. Laß erst einmal alle Gäste eingetroffen sein.«
Der Höllenhund wollte sich damit nicht zufriedengeben, denn er fing an zu knurren. Auch bewegte er seinen Kopf, so heftig, daß die einzelnen Glieder der Kette gegeneinander klirrten. Zwar hatte er bereits an diesem Abend sein Opfer gehabt, doch es war nicht das richtige gewesen und auch nicht als rituelles Opfer gedacht.
Noch war Zeit. Es war nicht einmal Mitternacht, denn es fehlten noch fünf Minuten.
Die Umgebung der Garderobe bestand aus einer Mischung aus Licht und Schatten. Spots schickten ihre Strahlen nach unten. Sie aber wurden zumeist von der Dunkelheit aufgesaugt und auch von den dicken, schwarzen Samtstoffen, die an den Wänden hingen und den Schall schluckten. Schallschluckende Maßnahmen waren wichtig. Nicht allein hier im Vorraum, auch innerhalb des Kellers.
Der Kettenhund fing an zu jaulen. Er hatte bisher gelegen. Plötzlich sprang er hoch. Dabei winselte er, als wäre er hart getreten worden.
Kita kannte diese Reaktionen. Sie traten immer dann ein, wenn ihr Leibwächter etwas Bestimmtes gewittert oder geahnt hatte. Sie drückte die Hand auf seinen glatten Kopf und schärfte ihm mit leiser Stimme ein, ruhig zu sein.
Kita war nicht mehr locker. Sie konzentrierte sich auf den Eingang.
Dort passierte noch nichts, aber die Tür bewegte sich plötzlich, und der Portier erschien.
Er war nicht
Weitere Kostenlose Bücher