1034 - Kitas Kettenhund
negativ äußern. Dafür war das Leben einfach zu vielschichtig. Solange keine brutale Gewalt im Spiel war und es keine Verletzte oder Tote gab, hatten wir kein Recht, diese Szene zu verurteilen. Jeder Mensch hatte seine geheimen Sehnsüchte und Vorlieben. Es war auch gut, daß es Szene-Treffs wie diese hier gab.
Natürlich fielen wir auf. Die an den Tischen sitzenden Gäste bestaunten uns, hielten sich mit Kommentaren zurück, und auch wir bewegten uns nicht provozierend. Wenn wir schauten, dann so, daß es kaum auffiel. Dabei stellten wir fest, daß die wie starre Fahnen nach unten fallenden Lichtstrahlen nicht das gesamte Lokal ausleuchteten. Im Hintergrund war es dunkel. Da drückten sich die grauen Schatten zusammen. Dort tanzte auch kein Staub durch die Schleier.
Ein leerer Tisch interessierte uns nicht. Wir gingen auf die Theke zu, hinter der ein Mann und eine Frau bedienten. Die Frau war dunkelhäutig. Sie trug einen weißen Latex-Zweiteiler, wobei das Oberteil eine Handbreite über dem Bauchnabel endete, in dem mehrere goldene Ringe funkelten. Zwar war es oben geschlossen, aber der breite Tropfenausschnitt unter dem Haken war weit genug, um eine Teilansicht ihrer festen Brüste zu präsentieren. Gepierct waren ihre Nasenflügel ebenso wie die Unterlippe. Sie bediente uns, während sich ihr Kollege im Hintergrund hielt. Er hatte über seinen nackten und ziemlich behaarten Oberkörper eine hellrote Lederweste gestreift. Seine Haare waren nicht kurz. Er trug sie im Nacken zum Pferdeschwanz zusammengebunden.
Die Farbige nickte uns zu. Als sie lächelte, funkelte der Ring an ihrer Unterlippe. »Was darf es sein, die Herren?«
»Können Sie uns etwas empfehlen?« fragte Suko.
»Ja, den Einpeitscher.«
»Dann zweimal.«
Was immer es auch war, wir wollten es probieren. Die Bedienung schenkte uns noch ein Lächeln und machte sich an die Arbeit. Sie mixte einiges zusammen. Das Zeug floß aus Flaschen ohne Etiketten ineinander, wurden durchgeshakt, und das tat die Frau beidhändig.
Im Mixen war sie schon eine Künstlerin.
Es trafen immer mehr Gäste ein. Die Geräuschkulisse hielt sich in Grenzen. Man sprach oft nur leise miteinander, und auch die Musik fiel kaum auf und störte nicht. Sie erklang im Hintergrund. Als ich mich für einen Augenblick darauf konzentrierte, empfand ich sie als dumpf und leicht bedrohlich. Sie hätte gut als akustischer Background zu einem Gruselfilm gepaßt.
Um uns kümmerte man sich nicht auffällig. Zwar schauten uns die Neuen ebenfalls an, und ich mußte innerlich lächeln, als ich daran dachte, daß wir unsere Handys nicht abgegeben hatten.
Aus den Shakern goß die Frau das Mixgetränk in zwei Schalen. Es floß hinein wie Öl. Das war wie bei einer Frikadelle. Niemand wußte so recht, aus welchen Zutaten sie sich zusammensetzte.
Eine schlanke, beringte Hand tunkte noch zwei Strohhalme in die Kelche, dann wurde das Getränk serviert. »Ich hoffe, es schmeckt euch«, sagte die Frau.
»Ihre Erfindung?« fragte ich.
»So gut wie. Man kann es auch als Monas Einpeitscher ansehen.«
»Dann sind Sie Mona?«
»Ihr könnt mich duzen.«
»Ja, das tun wir gern,«, sagte ich, nachdem wir unsere Namen genannt hatten.
Danach probierten wir. Zuerst mit einem vorsichtigen Nippen und von Mona beobachtet, die lächelnd abwartete. Der Inhalt war gar nicht schlecht. Er schmeckte süß und bitter zugleich. Die Mischung war nach meinem Geschmack so gut wie perfekt.
Gleichzeitig stellten wir die Gläser ab. Mona hatte mittlerweile andere Drinks eingeschenkt, die ihr Kollege an die Tische brachte. Im kalten Licht der Barbeleuchtung funkelten ihre Ringe. Sie hatte ihre Haare sehr kurz geschnitten. Sie lagen wie ein krauser Pelz auf ihrem Kopf.
»Nun?«
»Gut«, lobte ich den Drink.
»Danke.«
»Warum heißt er Einpeitscher?« fragte Suko. »Wenn man sich umschaut, ist das verständlich. Peitschen gibt es hier genug. Nur fühle ich mich nicht eingepeitscht.«
»Nach dem ersten Schluck bestimmt nicht«, erklärte Mona. »Auch nicht nach dem ersten Glas. Aber trinken Sie mehrere Gläser, dann lernen Sie den Drink richtig kennen.«
»Das wissen wir noch nicht.«
Mona lächelte uns irgendwie verschwörerisch zu, bevor sie wieder damit begann, die Bestellungen auszurichten.
»Und?« Suko sah mich fragend an.
Ich hob die Schultern. »Keine Spur von unserer Freundin.«
»Aber sie ist hier.«
»So…?«
»Ja, John. Wäre es anders, wären wir nicht hineingekommen. Sie muß uns beobachtet
Weitere Kostenlose Bücher