1036 - Die Psychonauten-Hexe
waren –, sondern auch die Besitzer und Mitarbeiter waren von ausgesuchter Freundlichkeit, und das spürte der Gast, denn diese Freundlichkeit war in keinem Fall aufgesetzt. Es entsprach der Mentalität der Menschen, und so fühlte sich der Gast sehr wohl. Von der kleinen Rezeption her wurde ihnen ein Morgengruß entgegengeschickt und mit der Bemerkung verbunden, daß sich das Wetter auch noch in den nächsten Tagen so wunderbar sonnig halten würde.
Morgens die leichte Kühle, verbunden mit einigen Nebelwolken, und später dann der strahlende Sonnenschein, der auch in den hell eingerichteten Frühstücksraum hineindrang, denn um diese morgendliche Zeit stand die Sonne günstig.
Das kleine, aber feine Büffet war aufgebaut. Es gab alles knackfrisch, von der Butter über die verschiedenen Wurst-, Brot- und Semmelsorten, bis hin zu den Eiern und der Bioecke mit den zahlreichen Müslis und Körnern.
Dagmar und Harry holten sich ihre Orangensäfte, bestellten bei einem Kellner mit schwarzen, kurzgeschnittenen Haaren ihren Kaffee und setzten sich an den Tisch, der für sie immer freigehalten wurde.
Er stand am Fenster, und der Blick fiel bis zu den Bergen hin, die sehr bald schon helle Hauben aus Schnee bekommen würden. Noch war bei diesem Sonnenschein daran nicht zu denken.
Als Harry sein Ei köpfte, schaute Dagmar auf ihren leeren Frühstücksteller. Sie war mit ihren Gedanken ganz woanders und sprach sie schließlich aus. »Von wem willst du denn erfahren, wie es damals hier zugegangen ist?«
»Von Frau Hagner, zum Beispiel.«
»Der Hotelbesitzerin?«
»Ja. Sie ist eine Einheimische. Menschen wie sie kennen sich aus. Zumeist kennen sie nicht nur die besten Wanderwege, sie wissen auch, was früher einmal hier passiert ist.«
Dagmar war skeptisch. »Das liegt aber alles schon sehr, sehr lange zurück.«
»Manchmal hat man Glück.«
»Gut.« Dagmar stand auf. »Dann werde ich mir jetzt mal ein paar Sattmacher holen.«
»Tu das.«
»Soll ich dir etwas mitbringen?«
»Später werde ich…«
»Guten Morgen, zusammen!« Die kräftige und freundliche Stimme der Hotelbesitzerin begrüßte die wenigen Gäste, als Frau Hagner eintrat, sich umschaute und ihren kleinen Rundgang an den Tischen vorbei begann. Hin und wieder hielt sie auch ein kleines Schwätzchen, wenn die Gäste es wünschten.
Harry saß günstig. Er wurde zuerst von der Besitzerin konsultiert.
»Wenn ich Sie um etwas bitten dürfte, Frau Hagner…«
»Aber gern. Was denn?«
»Können Sie gleich noch einmal zu uns kommen? Wir haben einige Fragen an Sie.«
»Mach ich doch glatt, Herr Stahl. Es sind doch wohl keine Beschwerden – oder?«
»Nein, das auf keinen Fall.«
»Alles klar?« erkundigte sich Dagmar, als sie wieder Platz nahm und Harry irritiert auf den Müsliteller schaute. »Himmel, du lebst aber gesund.«
»Und wie.«
»Um auf deine Frage zurückzukommen, Dagmar. Es ist wirklich alles klar. Frau Hagner kommt gleich zu uns.«
»Prächtig. Dann kann ja nichts schief gehen.«
Harry lächelte. »Hoffentlich. Du hast recht. Auch ich bin optimistischer geworden, denn die Erinnerungen berühren mich nicht mehr so emotional, sie haben sich gesetzt.«
Dagmar gab sich erstaunt. »Damit hast du doch nichts zu tun gehabt. Es betraf mich.«
»Stimmt.« Er faßte nach ihrer Hand. »Nur tut es auch mir weh, wenn ich dich leiden sehe. Verstehst du?«
Dagmar senkte den Blick. Sie schaffte es, noch rot zu werden.
»Danke«, sagte sie etwas verlegen und spürte das Band der starken Sympathie, das sich zwischen den beiden aufgebaut hatte.
Danach ließen sie es sich schmecken, waren aber schweigsamer als sonst, weil jeder seinen Gedanken nachhing. Der Zustand fiel auch Frau Hagner auf, die sich zunächst räusperte, um auf sich aufmerksam zu machen, sich dann zu den Gästen setzte, nachdem Harry ihr den Platz mit einer Handbewegung angeboten hatte.
»Sie sehen aber etwas unausgeschlafen aus, wenn ich das so sagen darf.«
»Dürfen Sie, Frau Hagner, denn es stimmt. Wir haben noch lange vor dem Einschlafen geredet.«
»Probleme?« erkundigte sich die etwa fünfundfünfzigjährige Frau mit dem sonnenbraunen Gesicht.
Harry wiegte den Kopf. »Wie man es nimmt. Vielleicht keine Probleme, an die Sie denken.«
»Um Himmels willen. Bitte, ich möchte nicht in Ihre privaten Dinge eindringen.«
»Nein, das ist auch in der letzten Nacht nicht der Fall gewesen. Wir haben uns einfach über Oberstdorf und seine nähere Umgebung unterhalten. Das ist
Weitere Kostenlose Bücher