1036 - Die Psychonauten-Hexe
jedem Menschen Spuren. Auch der Keeper sah aus, als hätte er sich am liebsten verkrochen.
Wir tranken. Sheila hatte sich gegen ihren Mann gelehnt und hielt die Augen fast geschlossen. Wahrscheinlich sah sie alles noch einmal vor sich. Hin und wieder rann ein Schauer über ihr Gesicht. Dabei sprach sie leise mit sich selbst und redete davon, daß sie auf keinen Fall mehr ins Modegeschäft wieder einsteigen wollte. Immer wenn sie sich mit der Branche beschäftigte, gab es ein Unglück.
Ich sah das anders. Ihr Mann Bill ebenfalls, aber wir behielten es für uns. Über Sheilas Kopf hinweg schaute Bill mich an. Die Fragen standen in seinen Augen, und er sah auch, wie ich die Schultern hob, bevor er nur ein Wort ausgesprochen hatte.
»Nichts, John?«
»Nur das Auge bisher.«
»Und was hältst du von dem Mörder?«
»Soviel wie du.«
»Ich wollte auf sein Aussehen kommen, verstehst du?«
»Warum?«
»Sieh es bitte nicht als rassistisch an, so ist das nicht gemeint, aber dieser Mann sieht aus wie ein Südeuropäer oder ein Orientale.«
»Das kann ich bestätigten.«
»Gut.«
»Und weiter?«
Bill Conolly wiegte den Kopf. »Ich habe nachgedacht, John, und meine Überlegungen auch zurück in die Vergangenheit fahren lassen, in der wir beteiligt waren. Dabei kam mir wieder etwas in den Sinn. Kannst du dich daran erinnern, wie ein Mann namens Leonidas die Psychonauten gejagt hat?«
»Sicher kann ich das.«
»Nun ja, er wollte uns auch vernichten. Es misslang, wir konnten entkommen, und das Hauptquartier des Mannes, der ebenfalls mal ein Psychonaut war, flog in die Luft.«
»Stimmt, Bill. Von diesem Zeitpunkt an war Leonidas verschwunden. Keiner weiß, ob er noch lebt.«
»Ich glaube daran.«
»Seit wann?«
»Eigentlich schon immer. Doch dieser Mord hier hat mich in meiner Meinung verstärkt.«
»Hatte er nicht auch eine eigene Fluglinie?«
Bill nickte. »Die gibt es nicht mehr. Da habe ich mich schon erkundigt. Ich könnte mir vorstellen, daß er die Zeit genutzt hat, um sich wieder zu regenerieren. Seinen alten Haß wird er bestimmt nicht verloren haben.«
Ich brauchte Zeit, um nachzudenken, trank einen kleinen Schluck Whisky und achtete darauf, wie er über meine Zunge und dann in die Kehle rann. Das lag alles so lange zurück. Inzwischen waren wir mit anderen Problemen konfrontiert worden, die die Psychonauten betrafen. Unter anderem auch mit UFOs, so daß mir der Gedankensprung zu dem Griechen nicht leicht fiel.
»Du zweifelst, John?«
»Bis jetzt noch. Wichtig ist, was uns dieser Killer zu berichten hat, wenn er wieder zu sich kommt.«
»Falls er redet.«
»Es wäre nur für seinen Vorteil.«
»Das mach ihm mal klar.«
Ich hob die Schultern. »Wie dem auch sei, Bill, meine Gedanken bewegen sich zusätzlich noch in eine andere Richtung. Das Model war einfach erschossen worden. Völlig grundlos für mich. Ich kam damit nicht zurecht. Es war wie eine Jagd gewesen. Er tauchte auf und schoß diese Frau vom Laufsteg, obgleich er von zahlreichen Zeugen gesehen worden war. Seine Totenkopfmaske war mehr ein makabrer und tödlicher Spaß gewesen oder wie auch immer.«
Warum hatte er Tessa getötet?
Ich dachte hin und her, einen Grund fand ich nicht, aber mich wollte ein anderer Gedanke nicht loslassen, und den wiederum formulierte ich laut und hörbar.
»Könnte es sein, Bill, daß Tessa Hampton nur das erste Opfer gewesen ist und ihm andere folgen werden?«
Der Reporter schrak zusammen. »Du denkst natürlich an andere Psychonauten?«
»Ja.«
»An wen noch?«
»Es gibt nur eine Person, die wir kennen. Auch sie ist weiblich. Dagmar Hansen eben. Harry Stahls Freundin. Sie könnte uns eventuell weiterhelfen.«
Bill drehte sein Glas. »Glaubst du das wirklich?«
»Nein, nicht direkt. Aber ich möchte es auch nicht von der Hand weisen. Ich werde Harry Stahl auf jeden Fall anrufen und ihn von diesen Vorgängen hier informieren. Er soll die Augen offen halten.«
»Wann?«
Da ich ungern etwas auf die lange Bank schob, rutschte ich vom Hocker. Nicht weit entfernt hatte ich eine Telefonzelle gesehen.
Mein Handy ließ ich stecken.
Natürlich waren die Conollys gespannt, und als ich wieder zurückkehrte, sahen sie meinem Gesicht an, daß ich Pech gehabt hatte.
»Sorry, aber Harry war nicht erreichbar.«
»Ein neuer Fall?«
»Möglich. Vielleicht auch Urlaub.«
»Hast du es bei seiner Partnerin versucht?«
»Nein, ich habe die Nummer nicht. Darum kann ich mich noch später kümmern. Wichtig sind die
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