1036 - Die Psychonauten-Hexe
einem dritten Auge gesprochen, das die Frau angeblich besaß.«
»Auf der Stirn?«
»Richtig. Und es heißt weiter…«, sie senkte jetzt die Stimme, grüßte zuvor noch die Gäste, die am Nebentisch ihre Plätzeeinnahmen, »… daß die Hexe dank ihres dritten Auges die Menschen und auch das Vieh beeinflußt und verhext hat.«
»Das ist interessant«, gab Harry zu.
Frau Hagner winkte ab. »Alles nur Gerede, denke ich.«
»Aber die Leute müssen daran geglaubt haben, sonst wäre diese Marianne nicht auf den Scheiterhaufen gestellt worden.«
»Das ist richtig«, gab die Hotelchefin zu.
»Und wie sieht es heute damit aus?« erkundigte sich Dagmar Hansen.
»Was meinen Sie damit?«
»Die Geschichte ist noch warm. Ich habe den Eindruck, daß sie bis in unsere Zeit hineinstrahlt. Sonst hätte man sie uns nicht erzählt.«
»Nun ja, die Leute wollen was zu reden haben. Gerade die älteren unterhalten die Gäste gern mit alten Spukgeschichten. Ich habe nie daran geglaubt. Es passierte in einem Hochtal, in das sie ganz bequem hineinfahren können. Sie müssen kurz vor der Zufahrt zum Kleinwalsertal nach links abbiegen. Dann gelangen Sie in das Gebiet oder an die Stelle, an der damals der Scheiterhaufen gebrannt hat.«
»Sehr gut«, lobte Harry. »Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann können wir den Ort besichtigen?«
»Nein, das ist zuviel gesagt. Allerdings finden Sie dort ein Haus, das von einer Frau bewohnt ist. Soviel ich weiß, vermietet sie auch Fremdenzimmer. Man kann das Haus nicht als Pension bezeichnen. Diese Frau hat auch kein Gewerbe angemeldet, aber das Haus steht dort, wo früher einmal der Scheiterhaufen gebrannt hat.« Sie lächelte jetzt. »Ich will ehrlich zu Ihnen sein. Die Frau, die jetzt in diesem Haus lebt, ist vielen Leuten ebenfalls suspekt.«
»Warum?« fragte Harry.
»Manche sagen, daß sie ebenfalls eine Hexe ist.«
»Ach!« flüsterte Dagmar. »Das müssen Sie uns aber etwas genauer erklären.«
Die Hotelchefin hob beide Hände. »Nehmen Sie es bitte nicht für bare Münze. Ich will da niemand in Misskredit bringen, und denken Sie nur nicht, daß ich an Hexen glaube. Die Leute reden eben viel. Sie ist jemand, der sich mit Esoterik beschäftigt, sagt man. Andere behaupten, daß sie zur Gilde der Wahrsagerinnen gehört. Was da nun stimmt, kann ich Ihnen nicht sagen, denn ich weiß es einfach nicht. Ich selbst habe diesem Haus auch noch keinen Besuch abgestattet.«
»Kennen Sie die Frau denn?« fragte Dagmar.
»Das ist schwer zu sagen.« Frau Hagner wiegte den Kopf. »Ich habe sie einige Male gesehen. Bitte, Frau Hansen, nehmen Sie es mir nicht übel. Diese Jamina weist eine gewisse Ähnlichkeit mit Ihnen auf. Ob Sie es nun glauben oder nicht. Ihre Haare sind ebenfalls naturrot, und das ist bei Ihnen doch sicherlich auch der Fall.«
»Stimmt.«
»Sie sind wohl auch im gleichen Alter.«
»Sehr gut.«
»Nun ja – Zufälle.« Frau Hagner bewegte beide Hände. »Das Leben schlägt hin und wieder Kapriolen, doch ich denke nicht, daß Sie zu den Wahrsagerinnen gehören.«
»Nein, das bestimmt nicht. Betreibt Jamina diese Kunst denn auch als Beruf?«
»Soviel ich weiß, schon. Hier spricht sich ja alles herum, und sie besitzt schon einen gewissen Kundenstamm, das muß ich zugeben. Nicht nur hier aus Oberstdorf und Umgebung. Die Leute kommen wirklich aus weiter entfernt liegenden Städten zu ihr, um sich beraten zu lassen. Man hat Autos mit Lindauer oder sogar Münchener Kennzeichen dort vor dem Haus stehen sehen.«
»Das hört sich interessant an«, gab Dagmar zu. »Wissen Sie denn auch etwas über ihre beruflichen Erfolge? Hat sie den Menschen die Wahrheit gesagt oder nicht?«
»Oh, da verlangen Sie zuviel von mir, Frau Hansen. Das kann ich Ihnen beim besten Willen nicht sagen. Tut mir echt leid. Ich habe mit keinen der sogenannten Kunden gesprochen. Was ich Ihnen hier erzähle, weiß ich auch nur aus dritter oder vierter Hand, da bin ich ehrlich.« Sie hob die Schultern. »Ich wüßte auch nicht, wer Ihnen da mehr erzählen könnte. Es ist einfach alles zu schwammig. Es gibt nichts Konkretes, wenn ich Ihnen das sagen darf.«
»Klar, das verstehen wir.«
Die Hotelchefin ließ sich zurückfallen und drückte ihren Rücken gegen die Lehne. »So, jetzt habe ich Sie wahrscheinlich neugierig genug gemacht.«
»Haben Sie.«
»Wie ich Sie einschätze, werden Sie der Dame einen Besuch abstatten, nicht wahr?«
»Wenn Sie uns freundlicherweise den Weg beschreiben würden«, bat
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