1038 - Der Verräter von Kran
verzweifelt.
„Du bist der verdammte Verräter!" tobte Zapelrow. „Du oder dieser Gu."
„Keiner von uns! Deine Beleidigungen schlage ich dir in den Hals", versuchte Carnuum ihn niederzuschreien. „Ich habe den letzten Rest von Vertrauen verloren."
Er tappte durch das Lichtgewitter, durch die auf- und abschwellenden Klänge und die lauten Worte in der verfremdeten Aussprache der Computer-Sprachapparaturen auf Gu zu. Der Herzog kauerte noch immer wie ein Embryo auf der Sitzmatte und rührte sich nicht. Zapelrow hastete hinter Carnuum her und wußte nicht, was er vor dem Vorhaben des anderen zu halten hatte. Sie hatten sich gegenseitig beleidigt, ein Umstand, der in ihrer langen Freundschaft niemals eingetreten war. Jetzt rannten sie quer durch die zuckenden Lichtfluten auf den schweigend dahockenden Dritten zu.
Herzog Gu hob den Kopf und starrte sie an, als sähe er sie zum erstenmal.
Etwas in diesem Blick stoppte seine ehemaligen Freunde. Sie blieben dicht vor ihm stehen. Zapelrow öffnete den Rachen und schrie: „Also bist du ..."
Im selben Moment schalteten sich fast sämtliche Lichtquellen ab, auch die Bildschirme wurden dunkel. Die wilde Musik riß ab. Mitten im Satz hörte das Computer-Rezitativ auf.
Die Stille war durchdringend und schmerzhaft.
„... der Verräter!"
Zapelrows Stimme dröhnte und hallte durch den vergrößerten Raum. Der Schrei riß Herzog Gu in die Höhe. Zitternd kam er auf die Beine und stierte die beiden Kranen an.
Unmerklich langsam gewann er seine Fassung zurück. Seine Haltung veränderte sich, er richtete sich auf und deutete nacheinander auf Carnuum und Zapelrow.
In den Gehöröffnungen der Herzöge zischte die Stille. Verwirrt und demoralisiert starrten sich die Herzöge in die Augen. Sie kamen ziemlich schnell zu sich. Sie zwangen sich selbst, die vorläufig ausgestandenen Schrecken zu verdrängen.
„Genießt die Ruhe", sagte Carnuum mit einem schwachen Anflug seiner früheren Scharfzüngigkeit. „Die nächste Welle des Terrors wird noch furchtbarer sein."
„Sie haben uns nicht zu etwas zwingen können", stöhnte Gu, „das wir nicht konnten."
Es blieb offen, was er damit meinte.
„Das Orakel wird das Nest zerstören", grollte Zapelrow, „um zu erfahren, wer der verdammte Verräter ist. Zwei Männer müssen für einen dritten leiden. Ich weiß nicht, wer von uns das Ziel des Orakels ist.
Warum stellt er sich nicht? Er würde den zwei Herzögen, die lange Zeit seine engsten und einzigen Freunde gewesen sind, vieles ersparen."
Herzog Carnuum hieb mit der Pranke krachend auf die Tischplatte.
„Warum fragt sich keiner von uns, ob sich das Orakel irrt?"
Sie hatten tatsächlich nicht ein einziges Mal an diese Möglichkeit gedacht. Bisher war es niemals passiert. Ihre Zusammenarbeit nach den Maximen des Orakels war stets so dicht gewesen, daß es nicht den Hauch eines Problems gab. Konnte das Orakel irren? fragte sich Zapelrow und gab sich schweigend die Antwort. Natürlich vermochte selbst die geheimnisvolle Instanz, die seit zwei Jahrhunderten die Geschicke der Kranen auf die beste Weise leitete, einen Irrtum zu begehen. Daß es bis zum gestrigen Tag noch nicht geschehen war ... eine Ausnahme, von der die Regel bestätigt wurde.
Herzog Zapelrow versuchte, seine aufgewühlten Nerven zu beruhigen, und richtete sein Wort an Gu und Carnuum.
„Ich meine, daß sich auch das Orakel irren kann. Aber was nützt es uns?"
„Unsere klugen Gedanken", bellte Carnuum, „werden nicht ein Besatzungsmitglied des Nestes überzeugen können."
„Und schon gar nicht den Nestcomputer. Sie erhielten den Befehl vom Orakel."
Niedergeschlagen grollte Zapelrow: „Bis zum Gegenbefehl tun sie, was ihnen aufgetragen wird. Ich überlege, ob nicht einer von uns sich freiwillig als Verräter selbst bezichtigen sollte, obwohl er kein Verräter ist."
Carnuum wies unbestimmt auf die Bildschirme, stieß ein knurrendes Gelächter aus, das seltsam und verzweifelt klang.
„Wir werden akustisch und optisch abgehört. Schon jetzt ist dieser Versuch sinnlos geworden."
„Du hast recht. Es bleibt uns keine andere Möglichkeit, als bis zum Ende dieser Aktion auszuharren."
„Wann immer dieses Ende sein wird", schloß Herzog Gu.
Einige Sekunden nach dieser Bemerkung meldete sich wieder der Nestcomputer. Es war dieselbe Stimme, die bis vor wenigen Minuten ununterbrochen die ehrwürdigen Texte zitiert hatte. Der Computer sagte: „Wenn sich der Verräter hier und jetzt selbst stellen will, so
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