1038 - Der Verräter von Kran
neues Geräusch, für ihn im Moment nichts anderes als eine Serie langwelliger Vibrationen, deutete die nächste Stufe des Terrors an.
„Ich kann nicht mehr!" stöhnte er. Seine keuchendbellenden Worte gingen in dem allgemeinen Lärm unter.
Als er sah, was rechts von ihm vorging, verwandelte sich sein Schrecken in lähmendes Entsetzen.
*
Carnuum hatte es bis zu diesem Moment geschafft, nicht wahnsinnig zu werden.
Im Zentrum der folternden Musik, der drastischen Worte und des flackernden Lichtes war es ihm gelungen, allen Anfechtungen zu widerstehen. Ein Grund trug besonders stark dazu bei. Er wollte es den beiden anderen Herzögen zeigen! Wenn sie diese Folter durchstanden, dann vermochte auch er es.
Carnuum hatte sich mit der Zentrale verbinden lassen wollen - kein Gerät gehorchte ihm.
Er versuchte, seine Kabine zu verlassen - keines der Schotte öffnete sich, keines ließ sich, selbst mit größter Anstrengung, aufreißen.
Sein Verstand begann zu leiden. Eine gewisse Schwäche hatte ihn ergriffen, und er kämpfte dagegen an, sich durch Reden und durch Offenbaren seiner Gedanken zu erleichtern. Er kämpfte, obwohl er ein kaum zu unterdrückendes Verlangen verspürte, mit irgend jemandem zu reden.
Er wollte nicht reden. Es gab nichts, was er zu berichten oder zu gestehen hatte, sagte er sich immer wieder.
Herzog Carnuum stieß einen Fluch aus, der selbst hartgesottene Raumfahrer hätte zusammenzucken lassen.
Er war allein.
Sein Kampf lief unter Ausschluß der Öffentlichkeit ab. Er wußte, daß alle Zwischenfälle von Aljaka und den wichtigen Kranen des Nestes gesteuert wurden. Er hatte vorübergehend nicht die Macht, sie zu bestrafen oder zu etwas zu zwingen, was ihm angenehm war. Sie standen ebenso wie er unter dem strikten Befehl des Orakels. Es konnte nicht ewig so weitergehen. Überleben und Durchstehen war alles. Er mußte durchhalten! Durchhalten! Immer wieder rief er sich diesen Befehl in seine Gedanken zurück, die von den Akkorden, den Worten und den harten Lichteffekten zerhackt und durcheinandergewirbelt wurden.
Das Lärmen ging weiter.
Der Computer zitierte einen Text aus dem Geschichtswerk der Kranen, zwei Jahrhunderte vor dem Start der ersten Flüssigkeitsrakete zum Nachbarplaneten. Jedes Wort, bedeutungsschwer wie ein stürzender Meteor, grub sich tief in Carnuums Bewußtsein ein. Er kämpfte schweigend und voll Konzentration weiter, um den Drang, sich zu offenbaren, zu unterdrücken. Der Computer schloß den Text ab und verkündete plötzlich in einer ganz anderen Tonart: „Es ist bekannt, wer der Verräter am Orakel und somit an Kran ist. Untrügliche Indizien weisen darauf hin. Das Nest wartet auf das Geständnis."
„Das Nest wird, was mich betrifft, lange warten müssen!" schrie Herzog Carnuum.
Niemand antwortete, es gab keine Reaktion.
Aber plötzlich sah Herzog Carnuum seinen ... was war er nun eigentlich? Sein Freund?
Sein Gegner? Der Verräter? Ein anderes Opfer dieses Wahnsinns?
Der Nestcomputer, gehorchend den Befehlen des Orakels, programmiert von Kranen, die erbittert nach dem Verräter suchten, brachte eine neue Variante in das gnadenlose Spiel.
Zwischen den Kabinen zogen sich Metallwände, die scheinbar massiv gewesen waren, in den Boden zurück.
Die drei Herzöge befanden sich in einem einzigen, großen Raum.
*
Herzog Zapelrow hatte an alles gedacht, aber nicht daran.
Als er unweit von sich die strahlend weiße Mähne - inzwischen klebten die Haare des weißen Fells fast flach am Schädel - von Herzog Carnuum sah, erfaßte er halb besinnungslos, daß die schlimmste der zur Zeit zu erwartenden Steigerungen eingetreten war.
Die Herzöge waren in einem Raum beieinander!
Jenseits von Carnuum sah Zapelrow seinen Konkurrenten Gu. Beide machten den Eindruck, als wären sie am Ende. Zapelrow wußte, daß dieser Eindruck täuschte. Jeder von ihnen war hart und kämpferisch genug, um auch diese Passage des Terrors zu überstehen. Zapelrow zwang sich dazu, aufzustehen. Auch er war voller Aggressionen und hoffte, daß seine seelischen Nöte ihn nicht allzu bald zum hilflosen Idioten machen würden.
Er hob beide Arme und schrie: „Geht es euch auch so schlecht?"
Carnuum richtete einen verzweifelten Blick auf Gu und hielt die Pranke ans Ohr.
„Was?"
„Sie wollen uns fertigmachen!" donnerte Zapelrow. „Welch ein Unsinn!"
„Unsinn! Das ist lebensgefährlich! Sie sind alle wahnsinnig geworden, samt dem Nestcomputer!" bellte Carnuum
Weitere Kostenlose Bücher