1040 - Madonna auf dem Höllenthron
woher Ihr Chef dieses Bild hat? Hat er es ersteigert?« Ich dachte dabei an den Knochensessel, den mein Freund Bill auf diese Art und Weise in New York erworben hatte. »Oder hat er es von einem Privatmann gekauft?«
»Wenn ich das wüßte«, gab sie flüsternd zurück.
»Weiht er sie so wenig ein?«
»Nein, nein, John, so ist das nicht. Ich weiß schon mehr über die Herkunft der meisten Bilder. Ich kenne dann auch Hintergründe, die den Maler betreffen, aber hier stehe ich wirklich vor dem Nichts. Er hat mich gebeten, das Gemälde so schnell wie möglich zu restaurieren.« Sie lachte leise. »Und ich habe mich an die Arbeit gemacht.«
»Weshalb diese Eile?«
»Das weiß ich nicht.«
»Es war aber nicht normal?«
»Nein, überhaupt nicht. Ich frage mich auch, ob Scotty gewußt hat, daß sich möglicherweise unter dem Bild noch ein anderes befindet. Ich meine, bisher habe ich nur den Mund freigelegt, wenn ich weitermache, kommt bestimmt noch ein anderes Gesicht zum Vorschein. Ein fremdes, vielleicht auch blutbeschmiertes. Inzwischen halte ich alles für möglich.«
»Ich auch.«
»Und was wollen Sie tun?«
»Am liebsten wäre es mir, wenn Sie es in meinem Beisein fertig restaurieren würden. Dann hätten wir vielleicht die Lösung.«
»Das würde dauern.«
»Wie lange?«
»Stunden.«
Ich räusperte mich. »Das ist zu lange. Kann man das nicht beschleunigen, Julia?«
»Könnte man«, sagte sie. »Nur kann ich dann für nichts garantieren, John. Wenn ich schnell und auch nervös arbeite, kann ich mehr zerstören als erhalten.«
»Ist verständlich.«
»Dann lassen wir es lieber so, wie es ist. Wenn Sie nichts dagegen haben.«
»Sie sind die Fachfrau, Julia.«
»Hören Sie auf.« Sie winkte ab. »Ich fühlte mich momentan nicht als Fachfrau, sondern verdammt mies. Wie jemand, den man einfach in die Enge gedrängt hat, aus der man nicht mehr hervorkommt. Man müßte nach anderen Möglichkeiten suchen.«
»Die könnte es geben.«
»Wie? Was?«
Ich wollte ihr etwas erklären, ohne jedoch konkret zu werden, als ich ihren Schrei hörte und auch die heftigen Bewegungen ihrer Arme sah.
Die Hände hielt sie ausgestreckt, und sie deutete auf die beiden Fenster.
Hinter einem davon sahen wir beide die zuckenden Bewegungen. Es sah tatsächlich so aus, als würde jemand mit einem Mantel oder einem großen Tuch winken.
Das war beides nicht. Es war die uns bekannte Fledermaus, die dort oben herumturnte. Wir sahen auch die kleinen Glutaugen, die in die Werkstatt glotzten.
Julia umfaßte meinen rechten Arm. »Er ist da, John, er ist noch nicht verschwunden.« Sie ballte ihre freie Hand zur Faust. »Der will was von uns. Das spüre ich.«
»Bestimmt.«
»Was sollen wir tun?«
»Vorerst alles so lassen, wie es ist.«
Für einen Moment schloß sie die Augen. Ihre Hand rutschte ab und klatschte gegen ihren Oberschenkel. »Meine Güte, John, Sie haben ja Nerven.«
»Die braucht man in meinem Job.«
Die dunklen, brauen Augen weiteten sich. »Soll ich Sie jetzt fragen, was Sie tun?«
»Lassen Sie es lieber«, erwiderte ich lächelnd und schickte einen Blick zu den Fenstern hoch, hinter denen sich noch immer der Vampir bewegte. »Ich werde es Ihnen später erklären.«
»Aber ich habe doch den richtigen Mann erwischt - oder?«
»Das haben Sie allerdings. Folgendes. Ich werde mich jetzt auf meine Art und Weise um das Bild kümmern. Behalten sie bitte diesen Flattermann im Auge.«
»Flattermann ist gut.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich sage es sehr gern, und Sie dürfen es auch als Kompliment auffassen. Seit Sie hier bei mir sind, John, geht es mir wieder besser. Das war ein wirklich glücklicher Zufall.«
»Nicht allein das. Auch Sie haben genau richtig gehandelt, als Sie mich anriefen.«
»Intuition.«
»Die gehört zum Leben. Und jetzt bitte nehmen Sie alles hin, was ich unternehme. Es mag Ihnen seltsam vorkommen, doch Sie können darauf vertrauen, daß es einen Sinn ergibt.«
»Brauchen Sie Werkzeug?«
»Nein, Julia, mein Werkzeug trage ich immer bei mir. Mit einer Restaurierung des Bildes hat meine Arbeit nichts zu tun. Soviel kann ich Ihnen verraten.«
»Und wenn Sie es zerstören?«
»Das könnte passieren. Es kann auch noch viel mehr passieren. Wir müssen uns auf alles einstellen.« Ich ging nicht näher darauf ein, was ich damit meinte.
Julia nickte nur. »Ich vertraue Ihnen, John.«
»Gut, dann fangen wir an…«
***
Das schwere Geschütz - mein Kreuz - ließ ich zurück. Damit würde ich
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