1041 - Das Orakel
ihnen.
Carnuum fühlte jedoch, daß ein außergewöhnliches Gespräch bevorstand, bei dem es vermutlich um besondere Dinge ging.
Unter den Orakeldienern, die Carnuum in der Vorhalle beobachtete, befanden sich auch ein paar Wesen, die zu den Völkern des Herzogtums gehörten: Kranen, Ais, Prodheimer-Fenken und andere. Carnuum wußte, daß es sich fast ausschließlich um siegreiche Teilnehmer verschiedener Lugosiaden handelte, die aufgrund ungewöhnlicher Fähigkeiten in den Dienst des Orakels gestellt worden waren. Daß sie nun in der Nähe des Eingangs weilten, gab ihnen in Carnuums Augen den Nimbus gefährlicher Kämpfer. Das Orakel hatte ihnen vermutlich befohlen, bei Angriffen mit aller Macht zurückzuschlagen. Was bisher mehr oder weniger ein Gerücht gewesen war, bestätigte sich: Aus Siegern der Lugosiaden hatte das Orakel eine ungewöhnliche Kampftruppe zusammengestellt.
Zusammen mit den zum Teil fremdartigen Waffen, die aufgefahren wurden, stellten sie zweifellos eine Bedrohung Krans dar.
Carnuum erschauerte.
„Ich habe diese Krise nicht gewollt", ertönte die Orakelstimme erneut. „Aber sie war vorhersehbar und wohl auch unvermeidbar."
Gu hob den Kopf. Kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn. Zwei Orakeldiener hatten sich inzwischen seiner angenommen. Sie versorgten seine Wunden und verabreichten ihm Stärkungsmittel. Fischer schwebte dicht über der Liege und schien jede Bewegung der beiden Betreuer zu beobachten. Carnuum fürchtete diesen seltsamen Roboter immer mehr.
„Es ist bedauerlich", fuhr das Orakel mit seiner unbeteiligt wirkenden Stimme fort, „daß dein Ehrgeiz dich dazu getrieben hat, dich gegen das Orakel zu stellen, Herzog Carnuum."
Der schlanke Krane blickte sich gehetzt um. War er vielleicht hier, um abgeurteilt zu werden?
„Nur Kranen haben das Recht, über meine Taten zu befinden", schnaubte er empört.
„Ich werde einen Spruch der obersten Schiedsrichterin Järva hinnehmen - wie immer er ausfallen sollte. Du jedoch, Orakel, darfst nicht über mein Schicksal bestimmen."
„Du siehst alles nur von deinem Standpunkt aus", versetzte das unsichtbare Orakel, das sich irgendwo tief im Innern des Wasserpalasts befinden mußte. „Machthunger und Ehrgeiz treiben dich an. Natürlich hast du nicht völlig unrecht, wenn du die psychologische Konstellation ansprichst und verurteilst, daß Fremde die Geschicke des Herzogtums beeinflussen. Die Orakeldiener und ich haben uns jedoch niemals gegen die Kranen gestellt."
Carnuum richtete sich hoch auf.
„Warum zeigst du dich nicht?" schrie er. „Ein Schatten ist der Berater meines Volkes. Ein Schatten, der sich mit nichtkranischen Dienern umgeben hat."
„Du fürchtest eine Bestrafung", sagte das Orakel. „Das bringt dich so auf. Aber du kannst unbesorgt sein, ich habe nicht vor, irgend etwas gegen dich zu unternehmen."
„Aber er ist ein Verräter!" mischte Gu sich ein. „Er hat die Gunst des Augenblicks genutzt, um die Stellung des Orakels zu erschüttern."
Es entstand eine kleine Pause, als müßte das Orakel nachdenken, dann sagte es gelassen: „Carnuum hat hur mit groben Worten artikuliert, was die meisten Kranen empfinden. Du übrigens auch, Herzog Gu. Der Rat des Orakels war euch willkommen, aber unterschwellig habt ihr euch gegen diese als Bevormundung empfundenen Aktivitäten des Orakels gesträubt."
Gu schüttelte verwundert den Kopf.
„Du stellst mit diesen Worten dein eigenes System in Frage!" warf er dem Orakel vor.
„Keineswegs", gab der unsichtbare Berater der Kranen zurück. „Ich bin stärker als jemals zuvor davon überzeugt, daß ein starkes, stabiles und expandierendes Herzogtum wichtig und unersetzlich ist. Meine ganzen Anstrengungen galten dem Erreichen eines solchen Zieles. Ich beschwöre euch, Herzöge von Krandhor, alle persönlichen Streitigkeiten zu begraben und eure ganze Kraft dem Erhalt des Sternenreichs zu widmen. Das gilt vor allem für Herzog Carnuum, der seine egoistischen und ehrgeizigen Pläne zugunsten des Herzogreichs aufgeben muß."
Carnuum schaute mürrisch drein; er hatte nicht mit dieser vergleichsweise entgegenkommenden Behandlung durch das Orakel gerechnet und fühlte sich irritiert.
„Das Herzogtum muß weiter ausgebaut und stabilisiert werden!" Die Stimme, die immer so gleichmäßig und mechanisch klang, bekam einen eindringlichen Unterton. „Das allein zählt."
„Warum bist du noch immer daran interessiert, Orakel?" erkundigte sich Gu, der sich nach der Behandlung durch die
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