1041 - Das Orakel
Anführer?"
„N... nein!" Es fiel Zurdyn sichtlich schwer, das zuzugeben. „Jedenfalls nicht im engeren Sinn."
Syskal wandte sich an Chyrino.
„Man hat uns einen Laufburschen geschickt", meinte sie verächtlich.
Einen Augenblick sah es so aus, als würde Zurdyn völlig die Beherrschung verlieren, doch dann faßte er sich.
„Wir verlangen, daß alle Orakeldiener Kran verlassen", verkündete er. „Die Identität des Orakels muß enträtselt werden. Danach werden wir entscheiden, ob und in welcher Form es überhaupt noch genutzt werden darf."
Chyrino hatte mit wesentlich härteren Forderungen gerechnet. Im Vergleich zu dem, was die Sprecher der Bruderschaft bei ihren jüngsten Auftritten verlangt hatten, wirkten die von Zurdyn vorgetragenen Wünsche eher gemäßigt.
„Seit vielen Jahrzehnten hat uns das Orakel nahezu fehlerlos beraten", erinnerte Syskal.
„Ohne seine Hilfe hätte unser Sternenreich nicht derartig schnell expandieren können."
„Das sehen wir anders", versetzte Zurdyn. „Das Orakel hat uns erst auf diese wahnsinnige Expansion eingestimmt. Es hat uns angetrieben, unsere Grenzen immer weiter in den Weltraum hinaus zu verschieben. Vermutlich waren wir nur Handlanger, die den Machtanspruch dieser Institution erfüllten. Die Entwicklung ging so schnell, daß wir nicht mehr in der Lage waren, die erreichten Gebiete allein zu kontrollieren. Also setzten wir, wieder im Auftrag des Orakels, andere Völker ein. Tarts, Lysker, Prodheimer-Fenken - um nur einige zu nennen - arbeiten mit uns zusammen. Bald werden weitere Völker hinzukommen. Auf Kran zeichnet sich bereits eine Überfremdung ab. Das alles muß aufhören."
„Das Orakel hat niemals die ethischen Grundsätze der Kranen verletzt", sagte Syskal sanft. „Es ist auch jetzt nicht der Zeitpunkt, darüber zu streiten, ob alles gut und richtig war, was in der Vergangenheit geschah. Wir haben eine schlimme Krise zu überwinden.
Über die Forderungen der Bruderschaft läßt sich reden, aber zunächst einmal müssen wir für eine Stabilisierung der Lage sorgen. Du kannst deinen Anführern ausrichten, daß wir von ihnen rationales Handeln erwarten. Eure Agitatoren sind im Begriff, in einigen Gebieten dieser Welt ein Chaos auszulösen, weil sie die verwirrten Bürger aufputschen."
„Das Orakel darf nicht länger die Geschicke der kranischen Zivilisation bestimmen", erklärte Zurdyn. „Dafür werden wir nicht aufhören zu kämpfen."
Daran, daß er mehr oder weniger mit einstudiert wirkenden Schlagworten argumentierte, entlarvte Zurdyn sich als unbedeutendes Mitglied der Bruderschaft. Chyrino hatte den Verdacht, daß dieser Mann nur hier war, um für die Anführer der Bruderschaft zu spionieren. Vermutlich sollte er herausfinden, welche Rolle Syskal, Chyrino und andere bekannte Bürger Krans nun zu spielen gedachten.
Chyrino dachte an Syskals Vermutung, die Bruderschaft könnte noch andere Ziele als ihre öffentlich proklamierten verfolgen.
Syskal sagte: „Ich bin jederzeit bereit, mit euren Anführern hier auf Kran zu reden."
„Aber sie sind nicht..." Zurdyn verstummte jäh. Er warf ärgerlich den Kopf zurück, als hätte er beinahe zuviel verraten.
Syskal starrte ihn unausgesetzt an.
Was hatte der Besucher gerade sagen wollen? überlegte Chyrino. Daß die Anführer der Bruderschaft sich nicht auf Kran aufhielten?
„Kennst du den verseuchten Derrill?" fragte Syskal den Abgesandten.
„Nein", antwortete Zurdyn. „Diesen Namen habe ich noch nie gehört."
„Vergiß es", winkte Syskal ab. „Es hat keine Bedeutung. Richte jenen, die dich geschickt haben, aus, daß wir versuchen wollen, die Ordnung auf Kran wiederherzustellen, und alles daransetzen werden, das Herzogtum von Krandhor zu erhalten. Das sollte auch in eurem Sinn sein, daher erwarten wir ein gewisses Maß von Loyalität."
Zurdyns Aufmerksamkeit war während der letzten Worte Syskals deutlich geringer geworden. Er hatte sich halb herumgedreht und blickte auf die lange Reihe der Bildschirme. Chyrino folgte dem Blick des Abgesandten und sah, daß ein Verband riesiger weißer Schiffe über dem Dallos aufgetaucht war.
„Schau es dir genau an", empfahl Syskal dem Besucher. „Chyrino und ich haben den Einsatz dieser Schiffe befohlen. Du kannst es als Ausdruck unserer Entschlossenheit betrachten, die Geschicke dieser Welt und des Herzogtums in unsere Hände zu nehmen, zumindest solange, wie Gu und Carnuum nicht in der Lage dazu sind."
Zurdyn war kein Mann, der seine Gefühle
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