1044 - Die Braut des Engels
war die Gestalt im Garten schon anders, die plötzlich, beinahe wie aus dem Nichts, erschienen war. Als wäre sie aus einem der kahlen Bäume gerutscht oder vom Himmel gefallen.
Sie stand an der Seite. Jemand, der ein langes, helles Gewand trug.
Suko hatte nicht erkennen können, ob es sich um eine Frau oder einen Mann handelte, sie war kurz nach der Entdeckung wieder verschwunden.
Im Haus wollte Suko nicht länger bleiben. Er brauchte John auch keinen Bescheid zu geben. Er wollte nur einmal um das Haus herumgehen und nach der Gestalt Ausschau halten. Grundlos war sie bestimmt nicht hier erschienen.
Suko öffnete die Tür so behutsam und lautlos wie möglich. Er ärgerte sich, daß es nicht so klappte wie er es sich vorgestellt hatte.
Dann war der Spalt groß genug, um ihn hindurchzulassen. Er schob sich in die feuchte Kühle hinein.
Es war etwas dunstiger geworden. Die Schwaden trieben gegen ihn, und er atmete tief durch. Die kahlen Bäume, das feuchte Laub auf dem Boden des Vorgartens, eine spätherbstliche Stimmung, die keine Fröhlichkeit aufkommen ließ.
Suko suchte die Nähe des Hauses. An der Wand drückte er sich entlang und sorgte vor allen Dingen dafür, daß er nicht zu stark in das braune Laub hineintrat. Er wußte nicht, wo sich die Gestalt noch aufhielt. Das leiseste Geräusch hätte ihn verraten können.
An der Hausecke blieb er stehen. Direkt neben einem alten und halb zerrissenen Gartenschlauch, der zusammengerollt wie eine Schlange am Boden lag.
Der erste Blick zur Rückseite!
Dort bewegte sich nichts.
War der andere weg?
Suko wartete einige Sekunden, bevor er ebenso vorsichtig weiterging, den Blick nach vorn gerichtet. Mal nach rechts, dann wieder nach links schauend, ob sich noch eine zweite oder dritte Gestalt zeigte.
Niemand hielt sich in der Nähe des Hauses auf.
Suko ging weiter. Angespannt. Die Schritte vorsichtig gesetzt. Die Umgebung so gut wie möglich unter Kontrolle haltend. Es wehte doch ein leichter Wind, der auch das Wasser bewegte und es zu Wellen formte, die wiederum gegen das Ufer anrollten.
Er hörte ihr leises Klatschen. Er sah wie sich das hohe Gras zitternd bewegte und ging dorthin, wo ihm die Gestalt aufgefallen war. Dabei mußte er das Wohnzimmerfenster passieren, und er warf auch einen kurzen Blick durch die Scheibe nach innen.
Nichts bewegte sich dort.
John und Evita befanden sich noch in der ersten Etage. Für Suko schon etwas ungewöhnlich, doch er verbannte diesen Gedanken schnell.
Grau in grau präsentierte sich der Garten. Abgesehen vom schmutzigbraunen Laub auf dem Boden. Über den winterlichen Rasen hatte es einen Teppich gelegt, zwar glatt, aber doch in sich gekrümmt und aufgefaltet, denn jedes Blatt hatte beinahe beim Herabfallen seine Form verloren.
Kaum hatte Suko die Scheibe passierte, als er stehenblieb. Er befand sich zum erstenmal im hinteren Garten. Er hatte einen freien Blick und konnte endlich das sehen, was ihm bisher verborgen geblieben war. An einer Stelle standen einige Bäume dicht beisammen.
Birken mit dünnen Stämmen und vom Wohnzimmer aus nur über einen bestimmten Blickwinkel zu entdecken.
Suko stand vor ihnen. Er sah auch durch die Lücken und entdeckte die kleine Hütte.
Eine ziemlich simpel zusammengezimmerte Gartenlaube aus Holz, das ziemlich angegriffen aussah.
Eine Tür entdeckte Suko nicht, dafür standen die Bäume zu dicht.
Nur wollte es ihm nicht in den Sinn, daß die Hütte keinen Eingang besaß. Sie eignete sich zudem hervorragend als Versteck. Fenster oder zumindest Luken hatte der Inspektor nicht gesehen. Erst beim Näherkommen sah er die schmale Tür des kleinen Schuppens, aber kein Fenster.
Vor der Tür blieb er stehen.
Suko verließ sich auf sein Gefühl, denn er ahnte, daß sich die Gestalt in diesen kleinen Schuppen zurückgezogen hatte. Spuren entdeckte er nicht. Ein Metallgriff sah rostig aus. Er war auch kalt, als Suko ihn umfaßte. Dann zog er langsam die Tür auf.
Ein dunkler Raum. Schattig, und auch die dort abgestellten Gegenstände malten sich verzerrt auf dem Boden ab. Das nahm Suko nur am Rand wahr. Die Frau in dem hellen Gewand war viel wichtiger.
Sie hockte am Boden, aber sie saß nicht normal. Ihre Haltung erinnerte an die einer Toten. Den Kopf hielt sie zur Seite geneigt. Augen und Mund standen offen, so daß ihr Gesicht einen schlimmen und stieren Ausdruck bekommen hatte.
Er zerrte die Tür noch weiter auf, der nächste Schritte, der ihn bis in die Nähe der Frau bringen sollte. Er
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