1044 - Die Braut des Engels
sah den Mund, es kam ihm vor wie eine Großaufnahme. Das verzerrte Grinsen, das Zucken, und da wußte Suko, daß er in eine Falle gelaufen war.
Er stoppte.
Zu spät!
Der Angriff erfolgte von der Seite her. Aus dem Dunkel, von links, denn dort hatte Suko noch nicht hingeschaut. Er wußte nicht, wer dort gelauert hatte, jedenfalls war dieser Jemand bewaffnet und hatte mit dieser Waffe zugeschlagen.
Ein Kantholz, ein viereckiger Stempel, was auch immer. Jedenfalls war der andere so schnell, daß es Suko nicht gelang, der Waffe zu entwischen. Sie traf ihn voll in Gürtelhöhe und wuchtete ihn bis gegen die Wand neben der Tür zurück.
Er krachte dagegen. Durch seinen Rücken zuckte der Schmerz, und die kleine Bude veränderte sich vor seinen Augen. Die dort abgestellten Gartengeräte fingen an zu tanzen. Ihm wurde übel. Er bekam keine Luft mehr. Sein Körper brannte von innen, die Beine waren schwach geworden. Er sah nur durch einen Schleier. Mit großer Mühe erkannte er, daß sich die helle Gestalt bewegte. Sie kam auf die Beine, doch das nahm er nur noch am Rand wahr.
Der andere hielt sich noch verborgen.
Und er schlug wieder zu.
Zum Glück hatte sich Suko nicht geduckt. Der schwere Gegenstand hätte ihn sonst am Kopf getroffen und ihm womöglich das Gesicht zerschmettert. So erwischte er ihn an der Brust, so daß Suko glaubte, seine Knochen würden brechen.
Er fiel zusammen. Genau vor die Füße des anderen, einem stämmigen Mann mit kalten Augen.
Er holte noch einmal aus.
Der nächste Treffer war nicht mit großer Wucht geführt worden.
Etwas knallte gegen Sukos Kopf. Sterne blitzten, dann griff die Dunkelheit zu und riß alles an sich.
Wie tot lag der Inspektor am Boden, und der Mann mit den kalten Augen erwachte zu einer fieberhaften Tätigkeit. Er gab der Frau im weißen Gewand ein Zeichen.
Sie war plötzlich nicht mehr tot und konnte sich sehr flott bewegen. Danach ging alles Hand in Hand. Die Frau half, den Bewußtlosen aufzurichten und ihn für einen Moment so zu halten, damit er nach dem Kippen über der Schulter des Mannes hing.
Genau dort blieb er auch liegen.
Die Frau ging vor. Das Keuchen des Mannes erreichte sie und wurde von den knarrenden Lauten überdeckt, als sie die Tür aufzerrte, um freie Bahn zu schaffen.
Der Mann ging mit seiner menschlichen Last hinaus in die Kühle und den Dunst. So schnell wie möglich näherte er sich dem Seeufer und fand auch zielgenau den Steg.
Seine schweren Schritte klopften dumpf auf das weiche Holz, als er über den primitiven Steg ging und erst an dessen Ende anhielt.
Dort war ein mit einem Außenborder bestückter Kahn vertäut.
Schwer fiel der Bewußtlose auf die Planken. Alles andere war für die beiden ein Kinderspiel. Das Lösen des Boots, das Rudern, bis zu einer gewissen Stelle und das anschließende Anziehen des Außenborders. Das Boot erhielt Fahrt. Es huschte über die dunkelgrüne Fläche hinweg und ließ einen hellen Streifen zurück, der sich ausbreitete wie die Flügel eines Engels…
***
Licht – grelles und strahlendes, alles überdeckendes Licht!
An nichts anderes konnte sich Jane Collins erinnern, als sie die Augen aufschlug. Sie war wie aus einem tiefen Rausch erwacht und merkte zuerst, daß sie auf dem Boden lag. Nicht auf einem kalten, sondern auf einer relativ weichen Matratze, die nachgab, wenn sie sich bewegte.
Sie stöhnte leise, obwohl sie so gut wie keine Schmerzen verspürte. Ihr Kopf war eigentlich leer, und auch die Erinnerungen mußte sie erst zurückholen. Sie hingen wie an seidenen Fäden, die dicht davorstanden zu reißen.
Die Bilder stiegen hoch.
Die Ankunft in Temple. Das alte Haus. Die Anrufe. Der Besuch auf dem Friedhof. Die Warnung der Frau am Grab der beiden Schwestern. Alles das war plötzlich so klar, als brauchte sie nur zuzugreifen, um es erfassen zu können.
Die Wegfahrt – und das Licht!
Es war so grell gewesen, als wäre ein Gestirn aus dem All auf die Erde gefallen und direkt vor ihnen auseinandergeplatzt. So etwas hatte Jane Collins noch nie erlebt. Sie sah es auch nicht als direktes Licht an, nein, das mußte einfach etwas anderes gewesen sein. Gedanken rollten durch ihren Kopf. Es waren einfach zu viele. Sie schaffte es nicht, sie zu formieren, aber eine Tatsache ließ sich nicht aus ihrem Kopf herausdrängen.
Ein Name.
Lady Sarah!
Plötzlich klopfte ihr Herz schneller. Sie spürte die Echos an den Rippen, und auch im Kopf schien sich der Herzschlag zu wiederholen. Die Angst um Sarah
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