1044 - Die Braut des Engels
glaube schon!«
»Nein, keiner weiß es. Es gibt keine klaren Grenzen, auch nicht für Engel. Oder erst recht nicht für sie. Denn Kalim ist beides. Er ist gut, er ist böse. Er kann lieben und im nächsten Augenblick auch hassen. Aber er wird alles daransetzen, um sein Ziel zu erreichen, das verspreche ich dir.«
»Er will also einen Götzen produzieren?«
»Ja, das ist sein Plan.«
Sarah nickte. »Dazu braucht er einen Menschen. Wen unter euch hat er sich ausgesucht?«
Die Antwort wurde nicht sofort gegeben, was Sarah schon mißtrauisch machte. Auch das Lächeln auf den Lippen der Frau gefiel ihr nicht. Es war so wissend und süffisant. »Diesmal«, so flüsterte sie, »ist es keine aus unseren Reihen. Wir haben uns für eine fremde Person entschieden. Das heißt, er hat es getan.«
In Sarah keimte ein Verdacht, den sie allerdings nicht auszusprechen wagte. Auch die Anführerin redete nicht, sie schaute nur in eine bestimmte Richtung und dabei an Sarah vorbei.
»Du kennst sie.«
Sarah drehte sich halb um. Es gab nur eine Person, die gemeint sein konnte. »Ist es Jane…?«
»Ja, sie ist es!«
***
Bisher hatte sich die Detektivin nicht eingemischt und nur zugehört.
Es hatte für sie keinen Grund gegeben, dagegen zu sprechen. Lady Sarah hatte ihre Sache ausgezeichnet gemacht. Doch jetzt, wo feststand, wer Kalims »Opfer« werden sollte, spürte sie schon das heftige Herzklopfen, das sie aus eigener Kraft kaum unterdrücken konnte. Ihr stieg zudem das Blut ins Gesicht.
Alle starrten sie an.
Auch Sarah.
Alle warteten auf eine Reaktion. Die sollten sie auch haben. Jane schluckte, bevor sie sprach und dabei den Kopf schüttelte. »Ich habe alles gehört. Ich weiß jetzt, worauf euer Plan hinausläuft, aber ich kann euch versprechen, daß ich keinen Götzen gebären werde, denn ich werde mich nicht mit einem Wesen wie Kalim einlassen. So etwas kommt für mich nicht in Frage.«
»Oh, er wird dich nicht fragen. Er hat dich ausgesucht. Er will mit dir einen Götzen zeugen. Du darfst und kannst stolz darauf sein. Wie gern wäre es jemand von uns gewesen, doch auf uns hat er nicht gehört. Er will dich. Er will tatsächlich eine Fremde, verstehst du?«
»Ja. Nur will ich nicht ihn. Um einen Götzen zu zeugen, dazu gehören zwei.«
»Da hast du recht. Aber meinst du nicht, daß Kalim und auch wir die Kraft und die Macht haben, dich zu zwingen? Glaubst du das denn nicht?«
Jane nickte. »Ich weiß, daß ihr es versuchen werdet, aber auch Kalim kann mich nicht zwingen.«
»Du irrst dich. Er wird auch nicht mehr zulassen, daß du dich umbringst wie es seine erste Braut getan hat. Du wirst direkt mit ihm konfrontiert werden. In diesem herrlichen Tempel geschieht nichts, was er nicht will. Kalim ist der Herrscher, und du bist seine Braut. Wir kennen eure Namen, wir wissen auch, daß ihr keine normalen Menschen seid, denn du, Jane, hast eine Waffe bei dir getragen, die wir dir abnahmen, ebenso wie deine Handtasche. Es ist wirklich alles gerichtet. Kalim hat dich erwählt, und Kalim wartet bereits im Tempel.«
Die Worte hatten sich angehört wie ein Abschluß. Jane und Sarah schauten sich an. Sie waren dicht beieinander geblieben und auch gemeinsam etwas zurückgetreten. Das ging noch, der Weg nach vorn war ihnen durch die Engelkinder versperrt.
»Sieht schlecht aus, Jane!« flüsterte die Horror-Oma.
»Leider.«
»Wir müßten uns den Weg freikämpfen.«
Beinahe hätte Jane Collins gelacht. Sie verbiß sich diesen Gefühlsausbruch und schüttelte den Kopf. »Nichts gegen dich, Sarah, aber wie willst du das schaffen?«
»Dann versuch du es.«
»Nein, auf keinen Fall. Ich lasse dich nicht allein. Wir sind gemeinsam gekommen, und wir werden dieses verdammte Haus auch gemeinsam wieder verlassen.«
»Hoffentlich nicht als Tote.«
»Hör auf.«
»Was willst du denn tun?«
Jane saugte die Luft durch die Nase ein und hob die Schultern.
»Ich weiß es nicht genau. Ich weiß es wirklich nicht. Durch Gewalt können wir diesen Ring nicht brechen, das steht fest. Ich muß eben auf die Bedingungen eingehen.«
»Was? Du willst dich mit ihm einlassen? Das ist Wahnsinn. Da kommst du nicht mehr weg.«
»Ich denke nicht, daß ich mich mit ihm einlassen werde!« zischelte Jane. »Ich will ihn sehen. Ich will bei ihm sein, und ich werde versuchen, ihn zu überlisten.«
»Das schaffst du nicht. Denk daran, wer er ist.«
»Und wer bin ich?«
»Gut«, sagte Sarah, »gut. Ich kann dich nicht daran hindern. Du bist selbst
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