1045 - Zombie-Eulen
in ihren Verstecken lauern? Die darauf warten, daß etwas passiert. Oder die selbst etwas passieren lassen?« Sie deutete auf die Tür. »Glaubst du denn, daß ich die Tür öffnen und hinausgehen kann, ohne daß mir und meinem Kind etwas passiert? Glaubst du das?«
»Es wäre riskant.«
»Stimmt, Frantisek, stimmt. Deshalb bleibe ich auch hier bei dir in deinem Haus. Aber ich will dir auch sagen, daß ich nicht für immer unter deinem Schutz stehen kann. Irgendwann muß ich mal raus. Da hilft mir dann nichts. Und das ist der Zeitpunkt, auf den die Eulen nur gewartet haben, wenn sie draußen lauern. Dann werden sie über meine Tochter und mich herfallen wie die Bestien. Sie werden mich zerhacken wollen, zerfleischen, töten, mein Blut trinken, meine kleine Jana entführen und was weiß ich nicht alles.«
Marek nickte und lächelte dann. »Zunächst einmal wird es Nacht werden.«
»Und dann?«
»Bleibst du hier.«
»Das wolltest du doch nicht sagen!« flüsterte Mara erregt. »Nein, das glaube ich nicht. Du hast etwas anderes antworten wollen, Marek. Ich sehe es dir an.«
»Was denn?«
»Du wolltest mir sagen, daß du dich vor der Nacht fürchtest. Nicht vor der Dunkelheit, sondern davor, was sich darin verbirgt. Das Grauen, die geflügelten Bestien, die verdammten Eulen, die kleine Kinder rauben, um sie zu fressen, wie auch immer. Gib es zu, daß du damit rechnest! Es war nicht die einzige Eule, bestimmt nicht. Sicherlich gibt es noch mehr davon, die ihre Verstecke in den Wäldern verlassen haben und jetzt unser Haus belauern.«
»Da kannst du recht haben.«
»Ich habe recht, Frantisek.«
Er konnte dieser jungen Frau nichts vormachen. Auf der einen Seite litt sie unter der Furcht, auf der anderen stellte sie sich den Problemen. Sie würde ihn unterstützen, wenn es hart auf hart kam. »Wir werden wohl beide gegen die Eulen kämpfen müssen, wenn es darum geht, deine Tochter von ihnen zu schützen, Mara.«
»Dabei kannst du dich auf mich verlassen.«
Der Pfähler nickte vor sich hin. »Ich frage mich nur immer, was hinter diesen Taten steckt. Es muß einfach einen Grund dafür geben, daß die verdammten Eulen Kinder rauben. Ich weiß auch nicht, wie ich sie einordnen soll. Es sind Menschenräuber, Kinderräuber, Bluträuber, wie auch immer. Sie sind nicht zu begreifen, aber es muß etwas anderes hinter ihnen stecken.«
»Was denn?«
»Eine Macht, Mara. Eine verfluchte, dämonische Macht. Jemand, der sie leitet. Eine Macht, mit der wir nicht zurechtkommen, die wir nicht fassen können. Ich weiß auch nicht, ob sie zu den Strigen gehören, von denen mir Freunde berichtet haben.«
»Wer sind die denn?«
Marek winkte ab. »Satans-Eulen. Einer alten Legende nach haben sie in den skandinavischen Wäldern gehaust, und diese Legende hat leider den Tatsachen entsprochen. Hier allerdings habe ich das Gefühl, keine Strigen vor mir zu haben. Ich will es dir auch erklären. Die Strigen haben keine Menschen geraubt, und erst recht keine kleinen Kinder. Da gibt es schon einen Unterschied.«
Mara schüttelte den Kopf. »So etwas habe ich auch noch nicht gehört«, gab sie zu.
»Kann ich verstehen. Es gibt viele Dinge, über die man sich nur wundern kann, mein Kind. Die Eulen haben ein Motiv. Sie wollen irgend etwas mit diesen Kleinkindern anstellen. Wenn ich nur wüßte, was es für ein Motiv ist.«
»Wollen sie den Tod?«
Marek schwieg.
»Sag es - bitte!«
»Es wäre so sinnlos«, flüsterte der Pfähler.
»Oder kann man sie mit Vampiren vergleichen, daß sie das Blut der Kinder trinken?«
Marek hüstelte in seine Hand. »Nein, das glaube ich nicht. Das will ich auch nicht glauben. Es wäre furchtbar, aber ich kann es auch nicht ausschließen. Jedenfalls habe ich sie getötet. Ich habe ihr meinen Pflock durch den Körper gerammt und habe die verdammte Eule dann zertreten. Ich habe gehört, wie ihre Knochen brachen. Ich muß ihr Herz getroffen haben, aber ich weiß noch immer nicht, ob ich es wirklich mit einer normalen Eule zu tun hatte.«
»Sie sah doch so aus, oder nicht?«
»Das schon, Mara. Nur sehen lebende Leichen auch fast so aus wie Menschen.«
»Bitte?« flüsterte Mara und beugte sich vor. »Das… das… hast du doch nur einfach dahingesagt oder?«
»Nein, habe ich nicht. Lebende Leichen. Zombies sagt man auch. Du kennst den Begriff sicherlich.«
»Ja - schon«, gab sie zu. »Aber soll ich daran denn glauben, Marek? Ich weiß es nicht.«
»Glaubst du an Vampire?«
Sie hob die Schultern.
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