1045 - Zombie-Eulen
daß diese Vermutung zu weit hergeholt war. Sie und ihre kleine Tochter waren nicht immer der Mittelpunkt.
Jana schlief wieder. Mara schaute auf die Uhr. Es war noch nicht zu spät. Bis zur Tageswende würden noch mehr als zwei Stunden vergehen. Vor der mitternächtlichen Stunde hatte sie sich eigentlich noch nie recht gefürchtet. Sie hatte diese Zeit einfach als gegeben hingenommen. Nun aber spürte sie schon ein leichtes Zittern, wenn sie an den neuen Tag dachte. Gerade die ersten sechzig Minuten zwischen Mitternacht und dem Verstreichen der ersten Stunde des Tages waren immer besondere gewesen. Das hatte man ihr auch oft genug erzählt. Besonders die alten Frauen und Männer waren darin wahre Meister gewesen.
Mara Laurescu verließ die kleine Kammer wieder. Marek saß noch am Tisch und telefonierte. Er drehte ihr den Rücken zu, und seine Stimme klang jetzt wieder etwas aufgeregter. Mara ging an ihm vorbei, blieb dann stehen und schaute ihn an.
Der Pfähler lächelte nur. Sie wußte nicht, ob es echt war oder ob er sie nur beruhigen wollte.
Schließlich legte er auf und schob den Apparat zur Seite.
»Was war denn?«
»Setz dich, Mara.«
Sie tat es und kam sich dabei vor wie eine Schülerin, die ihrem Lehrer gehorchte.
»Ich bin aus London angerufen worden«, erklärte er.
»Von deinen Freunden?«
»Ja, von einem Mann, der John Sinclair heißt. Er und Bill Conolly werden wohl hier bei uns sein.«
»Wie? Was? Hier?«
»Ja.«
»Warum denn? Wollen sie uns helfen?«
»Auch das, Mara. Manchmal allerdings schlägt das Schicksal schon gewisse Kapriolen. Er und sein Freund Bill Conolly beschäftigen sich mit einem Fall, in dem es um diese verdammten Killer-Eulen geht.«
Mara sagte erst mal nichts. Sie war einfach zu überrascht. »Die beiden sind doch in London.«
»Stimmt.«
»Und wie kommen sie dazu?«
Frantisek Marek schüttelte den Kopf. »Man mag es selbst kaum glauben, aber die verdammten Eulen sind auch in London aufgetaucht. Oder eine Eule. Bei einem Landsmann von uns. Er heißt Ion Kasanu. Eine Eule hat ihn verfolgt und ihm die Augen ausgehackt. Nur die Augen.«
»Warum tat sie das?« flüsterte Mara.
»Sie wollte ihn für einen Verrat bestrafen.«
»Wen hat er denn verraten?«
»Die Eulen.«
Die junge Frau schüttelte den Kopf. »Das verstehe ich alles nicht, Frantisek. Es ist mir zu hoch.«
»Klar, einfach ist es nicht. Auch ich habe geschluckt. Aber ich will dir alles erzählen. Dann verstehst du die Dinge möglicherweise viel besser.«
Sie hörte zu, während der Pfähler sprach und hatte immer stärker das Gefühl, ein Sandkörnchen im Kreislauf des Schicksals zu sein, das sie irgendwann zermalmen würde…
***
Marek hatte Tee gekocht, Brot geholt und eine scharfe Paprikawurst aus der Speisekammer genommen. Er hatte das Brot geschnitten und säbelte nun an der rötlichen Wurst herum. Die Stücke legte er auf ein Brett, das er über den Tisch hinweg in Maras Richtung schob, die allerdings den Kopf schüttelte.
»Möchtest du nichts essen?«
»Nein, ich habe keinen Hunger.«
»Aber du trinkst Tee?«
»Das schon.«
Marek schenkte ein und zog das Brett mit der Wurst wieder zu sich heran. Die junge Frau schaute zu, wie er die Stücke in seinen Mund schob, auch Brot aß und alles mit einem kräftigen Schluck Tee hinunterspülte.
»Daß du jetzt essen kannst«, sagte sie leise.
»Warum nicht?«
»Nach allem, was passiert ist und was noch auf uns zukommen kann. Das ist… ich weiß nicht, Frantisek. Ich spüre das bedrückende Gefühl immer stärker.«
Er lächelte. »Ich weiß, daß man Gefühle nicht lenken kann. Nicht mit dem Willen. Du solltest dir aber über eines klar sein, Mara. Hier bist du nicht allein. Du hast dir in mir den richtigen Partner ausgesucht. Wir werden diesen fliegenden Bestien schon zeigen, wo es langgeht. Darauf kannst du dich verlassen.«
»Finde ich toll, wenn du so redest.«
»Das ist meine Art.«
Mara wollte es nicht so recht glauben. »Hast du denn keine Angst vor Mitternacht?«
Sie fing einen erstaunten Blick auf. »Nein, Mädchen, warum sollte ich denn?«
Mara Laurescu gab sich etwas verlegen. »Nun ja, ich meine, man sagt ja, daß die Zeit um Mitternacht und eine Stunde danach eine besondere ist. Da kommen dann die Geister frei, die sonst gefangen sind. So habe ich es gehört.«
»Glaubst du es denn?«
»Zumindest fühle ich mich unwohl.«
Er winkte ab. »Ich weiß, daß du es nicht vergessen kannst. Du mußt versuchen, dich auf etwas
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