1052 - Die Nekropole
mußten.
»Erinnert euch genau daran.«
»Nein, wirklich nicht.«
Vor Wut stampfte La Roche mit dem Fuß auf. »Bon, dann geht weiter, verflucht.« Er gab den Weg frei und ging nach rechts in die schmale Bordellgasse hinein. Er wollte keinen Menschen mehr um sich sehen und seine Ruhe haben, um nachdenken zu können.
Die Sache war aus dem Ruder gelaufen, das gestand er sich ein.
Und wenn er ehrlich gegen sich selbst war, dann trug er daran auch die Schuld. Er hätte misstrauischer sein müssen, nur würde ihm das keiner derjenigen glauben, die im Hintergrund die Fäden zogen.
Entweder funktionierte man oder man versagte. Und Versager wurden aus der Welt geschafft, das wußte er ebenfalls.
Seine Handflächen waren schweißnass geworden. Er drückte die Hände zu Fäusten zusammen. Er blickte sich um, noch immer auf einen Zufall hoffend, der wieder alles ins Lot brachte. Ohne es zu merken, war er einige Schritte in die Gasse hineingegangen. Er hielt sich an der linken Seite und lief auch dicht an den Fenstern, die in Nischen verborgen und in einem geheimnisvollen Dunkel lagen.
Ein süßlicher Geruch wehte aus einem in der Nähe liegenden Fenster an seiner Nase entlang. Er hätte ihn nicht gestört, denn Parfümgeruch gehörte einfach in diese Welt hinein. Es war die flüsternde und geheimnisvoll klingende Stimme, die ihn ansprach, so daß er sich in seinen Überlegungen gestört fühlte.
Heftig drehte er sich auf der Stelle um. Das Fenster lag jetzt vor ihm. Er konnte sogar hineinschauen und entdeckte das Gesicht mit den dunklen Augen, die sich in seinem Ausschnitt abmalte.
»Möchtest du die Freuden des Paradieses bei mir erleben?« fragte man ihn in der blumigen Sprache des Orients.
La Roche regte sich auf. Er war sowieso sauer. Jetzt noch von einer Hure angesprochen zu werden, das hatte ihm gerade noch gefehlt.
»Hör auf, du verdammte…«, er stoppte und sagte: »Moment mal!«
»Ja?« In der Frage hatte Hoffnung mitgeschwungen.
»Wie heißt du?« fragte er.
Der Parfümgeruch verstärkte sich, als sich die Frau vorbeugte.
»Du kannst mich Fatima nennen.«
»Gut, Fatima, sehr gut. Ich möchte etwas von dir wissen. Du hast doch sicherlich länger schon hier an deinem Fenster gestanden. Oder etwa nicht?«
»Doch, das habe ich.«
»Wunderbar. Die ganze Zeit über?«
»Ja.«
»Dann weißt du auch, wer in diese Straße alles hineingegangen ist.« Sie schüttelte den Kopf, und der Gesichtsschleier sank dabei nach unten. Er legte schon verhärmte Züge frei, die so gar nicht zu den Augen passen wollten. »Nein, ich weiß nichts. Ich kann mich an nichts erinnern. Es tut mir leid.«
»Mir auch«, sagte La Roche. Er knirschte wieder mit den Zähnen und überlegte, ob er die Wahrheit aus der Nutte herausprügeln sollte, denn sein Gefühl sagte ihm, daß sie etwas gesehen hatte und es nur nicht zugeben wollte.
Es gab noch eine andere Alternative als die Prügel. Er griff in die Hosentasche und holte einige Dinar hervor. Die Summe entsprach ungefähr der von zehn Ein-Dollar-Scheinen.
»Ist das was?« fragte er und fächerte das Geld auseinander. »Ja, sehr gut.«
»Ich möchte nur etwas von dir hören.«
»Erst das Geld.« Er gab ihr das Geld. »Solltest du mich reinlegen wollen, wirst du an deinem eigenen Blut ersticken.«
»Nein, nein, keine Sorge.« Die Hure ließ die Scheine an der Seite ihres Ausschnittes verschwinden und hörte zu, wie La Roche die erste Frage stellen.
»Es geht um zwei Männer, die ich dir jetzt beschreiben werde.« Da er Sinclair und Suko lange genug gesehen hatte, konnte er auch die perfekte Beschreibung liefern. »So, und nun zur Sache, Fatima. Hast du die beiden in der letzten Zeit hier in der Gasse gesehen?«
»Habe ich!« flüsterte sie. »Die waren nicht zu übersehen. Der eine blond, der andere ein Schlitzauge.«
»Wunderbar, du bist super. Und weiter?«
»Sie gingen vorbei, ohne sich um mich zu kümmern.«
»Wo gingen sie hin?«
»Weiter und tiefer in die Gasse hinein. Ich habe ihnen sogar noch nachgeschaut.«
»Liefen sie ganz durch?«
»Nein, das nicht. Sie gingen in Joujous Haus.«
»Wer ist Joujou?«
»Ein Beschützer.«
»Klasse. Wo finde ich das Haus?«
»Geh hier auf der Seite weiter.« Sie zählte an den Fingern ab. »Es ist das vierte Haus von mir aus gesehen.«
»Stark, Fatima, stark.« Es waren die letzten Worte, die La Roche an die Frau richtete. Die sprach er auch im Weggehen aus, denn er hatte es plötzlich eilig. Wenn er Glück hatte, fand er
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