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1052 - Die Nekropole

1052 - Die Nekropole

Titel: 1052 - Die Nekropole Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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der rechten Hand fest und spürte überdeutlich ihr Gewicht, als wollte es seinen Arm in die Länge ziehen. Der plötzliche Anblick des Jungen hatte ihn geschafft. Obwohl er ihn sich praktisch herbeigewünscht hatte, kam er jetzt damit nicht zurecht und merkte, daß eine nagende Furcht in ihm hochstieg, bis hin zur Kehle, wo sich etwas verengte. Er war immer ein harter Hund gewesen und hatte wie ein Fels in der Brandung hinter den Plänen gestanden, aber in diesem Moment fühlte er sich so verdammt allein.
    Der Junge tat nichts.
    Er stand einfach nur da. Schaute La Roche aus seinen leeren Augen an und ließ dabei die Arme wie zwei Stücke an seinem Körper herab nach unten hängen.
    Gerade weil er nichts tat, ärgerte sich La Roche doppelt über sein verdammtes Angstgefühl. Zudem atmete er falsch und bekam nicht mehr richtig Luft.
    Die Gestalt auf der Treppe, die wegen der höheren Stufe größer wirkte als sie tatsächlich war, tat nichts. Sie trug ein einfaches Hemd, das bis zu den Waden reichte, und nicht mehr. Es bestand aus Leinen und schimmerte beige, auch wenn sich an verschiedenen Stellen einige Schmutzflecken verteilten.
    Nichts regte sich im Gesicht. Die Wangen und der Mund blieben auf ihre Weise ebenso starr wie die Augen. La Roche gefiel das alles nicht. Er fühlte sich unter der Kontrolle des Jungen stehend, der alles im Griff zu haben schien und selbst nicht die Spur eines Anzeichens von Furcht zeigte.
    Ich habe ihn weder gehört noch gesehen, dachte La Roche. Er ist einfach gekommen, und jetzt steht er da wie aus dem Himmel gefallen, einem Engel gleich.
    Innerlich mußte er lachen.
    Engel?
    War er tatsächlich so etwas wie ein Schutzengel für die Baal-Opfer? All die Mokhs, die in der folgenden Nacht dem Götzen geopfert werden sollten?
    Da ging einiges in seinem Kopf durcheinander. La Roche war auch nicht sicher, ob er die richtige Lösung für sich fand. Er wußte auch nicht, warum ihn der Junge nicht ansprach. Oder war er nicht in der Lage dazu?
    »He!« flüsterte La Roche ihm zu. »He, warum bist du gekommen? Kannst du mich verstehen? Was willst du hier? Wen suchst du?«
    Der namenlose Junge schüttelte den Kopf. Sein Gesicht erhielt dabei einen anderen Ausdruck. La Roche kam es so leidend und bittend zugleich vor. Da mußte jemand unter einer schrecklichen Qual leidern oder unter einem gewaltigen Druck stehen, der nicht einmal ihn selbst betraf, sondern andere Personen.
    Mit einer Waffe in der Hand fühlen sich viele Menschen stark. Bei La Roche traf das nur bedingt zu. Trotzdem hob er seinen Arm und zielte auf die Gestalt. Er wollte sehen, ob der Junge überhaupt auf eine Pistolenmündung reagierte.
    Das war nicht der Fall. Er nahm sie einfach nur zur Kenntnis und nicht mehr.
    »Hast du die anderen beiden auch gesehen?« flüsterte ihm La Roche zu. »Den Engländer und den Chinesen?«
    Der Junge schwieg. Indirekt gab er doch eine Antwort, denn er schüttelte leicht den Kopf und streckte La Roche zugleich die Hand entgegen, um die Waffe zu fordern.
    Der Mann war verunsichert. Das Gefühl verstärkte sich noch, als der Junge eine Treppenstufe nach unten trat.
    »He, was soll das?«
    Die fordernde Geste blieb auch auf der zweiten Stufe. Nichts brachte die schmale und blasse Gestalt davon ab. Sie war konsequent, denn sie ging noch einen Schritt vor und stand nun auf der ersten oder der letzten Treppenstufe.
    La Roche wußte nicht mehr, wie er sich verhalten sollte. In ihm kroch Panik hoch. Er gestand sich ein, nicht mehr Herr der Lage zu sein.
    Und als der Junge noch näher an ihn herankommen wollte, da kam sich La Roche vor wie ein in die Enge getriebenes Tier. Er war sowieso schon schweißgebadet. Seine Psyche glich einem aufgewühlten Meer, das sein Denken und auch Handeln überspülte.
    La Roche reagierte nicht mehr rational. Er ließ sich allein von seinen momentanen Gefühlen leiten und schoß.
    Man hatte es ihm beigebracht, mit einer Waffe umzugehen. Auch ein nicht Geübter hätte bei dieser Entfernung kaum vorbeigeschossen, und La Roche traf erst recht. Ein gutes Gefühl durchzuckte ihn, als er den Knall vernahm. Er hatte sich vorgenommen, mit dieser Kugel ein Problem aus der Welt schaffen, und er war so stark konzentriert, daß er sah, wie die Kugel in den Körper einschlug.
    Oder nicht?
    Plötzlich war er durcheinander. Die Kugel hatte getroffen. Trotzdem kam für ihn ein Ja und ein Nein in Frage. Er hatte das kurze Blitzen in Kopfhöhe gesehen und auch mitbekommen, wie die Gestalt

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