1053 - Die Rache der Geköpften
handeln.«
Ich nahm den Kaffee trotzdem mit. Suko verzichtete auf ihn und auch auf seinen geliebten Tee. Im Flur sagte ich zu meinem Freund:
»Ich lasse mich nicht davon abbringen. Es waren doch Hosenträger…«
***
Dr. Ed Quinn hatte schlecht geschlafen. Und nach dem Aufstehen und einem Blick in den Spiegel des Badezimmers kam er sich vor wie ein häßlicher Zwerg, dessen spärliche Haare aufgewuselt um seinen knochigen Kopf hingen. Die breiten Augenbrauen traten noch dunkler hervor als sonst. Das konnte auch an seinem Gesicht liegen, denn es war ziemlich bleich. Wie bei einem Menschen, der einen Schrecken noch nicht richtig verdaut hat.
Er blieb trotzdem vor dem Spiegel stehen und betrachtete seinen mageren Oberkörper. Auf der Brust wuchsen einige Haarbüschel.
Die Muskeln sahen aus wie die Krampfadern von einem Spatz, und die Augen lagen tief in den Höhlen.
So sah ein Mann aus, der erstens schlecht geschlafen und zweitens Angst hatte.
Ed Quinn war ehrlich gegen sich selbst. Er hatte Angst. Er hatte die letzte Nacht nicht vergessen und auch nicht das Gespräch mit der Kollegin Larkin.
Quinn hütete sich davor, sie als Spinnerin zu bezeichnen. Sie mochte manchmal zwar etwas überdreht sein, aber so etwas, was sie gesehen hatte, das bildete man sich nicht ein. Das entsprach zumindest in Teilen der Wahrheit.
Er verzog das Gesicht. Im Mund lag ein schlechter Geschmack.
Der Speichel klebte noch auf seinen Lippen. Er sah übermüdet aus und zog sich selbst eine Fratze, wobei er noch die Zunge herausstreckte.
Eine Dusche würde helfen, die letzte Müdigkeit zu vertreiben. Danach wollte er sehen, wie es weiterging. Er mußte ins Institut, aber pünktlich würde er nicht sein. Das brauchte er auch nicht, denn er hatte lange genug gearbeitet.
Unter der Dusche stehend, dachte er nach. Es ging ihm etwas besser. Er war wieder in der Lage, klar zu denken. Das Treffen mit Larissa Larkin schob er weit zurück und erinnerte sich nur an die für ihn wichtigen Tatsachen.
Eigentlich hätte er keine Angst mehr zu haben brauchen, denn der verfluchte Manski war tot. Umgekommen auf eine besonders spektakuläre Art und Weise.
Die Säge war mit einer Zeitschaltuhr versehen. Sie hatte exakt reagiert. Da aber war Quinn schon nicht mehr im Institut gewesen.
Zahlreiche Zeugen konnten bestätigen, daß er es verlassen hatte.
Niemand verdächtigte ihn speziell, daß er es gewesen war, der zuletzt die Zeituhr eingestellt hatte.
Er lachte in sich hinein.
Wie hatte er diesen Manski gehaßt! Der immer alles besser wußte, und der auch besser war, das mußte sich Ed Quinn eingestehen.
Aber so etwas konnte er nicht akzeptieren. Er haßte es, wenn jemand besser war. Wer schon mit seinem Aussehen gesegnet war, der mußte das auf anderem Gebiet kompensieren. Und deshalb hatte Quinn immer der beste von allen sein wollen.
Es war ihm nicht gelungen. Man hatte Manski vorgezogen und ihm einen besonderen Forschungsauftrag gegeben. Er führte ihn allein durch. Ohne einen Assistenten. Was er in seiner genetischen Giftküche zusammenbraute, sollte niemand etwas angehen. Sicherlich hatte es sich um verbotene Experimente gehandelt, doch darüber sprachen die anderen höchstens flüsternd.
Wem Manski genau unterstellt gewesen war, hatte auch niemand gewußt. Hin und wieder hatte er Besuch von zwei Männern empfangen, die so unauffällig gewirkt hatten, daß sie schon aufgefallen waren. Über sie konnte sich jeder seinen Teil denken.
Jetzt gab es ihn nicht mehr.
Er war weg.
Er war geköpft worden. Eine sicherere Methode, jemand umzubringen, gab es kaum.
Zumindest bis zur letzten Nacht. Dann aber war alles anders geworden. Larissa hatte ihn gesehen. Oder sie glaubte, ihn gesehen zu haben, wenn auch in einer Veränderung, die sich Ed Quinn einfach nicht erklären konnte.
Als Gespenst ohne Kopf auf der einen Seite. Auf der anderen als eine über den Boden hinweggleitende Masse, die ebenfalls zu diesem Gespenst gehörte.
Ein Wahnsinn! Eine Verrücktheit, die mit Logik nicht zu erklären war.
Ed Quinn kannte sich nicht besonders gut mit Frauen aus. Er wußte nicht, wann sie die Wahrheit erzählten und wann sie durchdrehten. Bisher hatte er seine Kollegin als gute Wissenschaftlerin eingestuft und als Frau, die mit beiden Beinen auf dem Boden der Tatsachen stand. Das war nun vorbei. Sie hatte etwas gesehen, das eigentlich unmöglich war und nicht in die Realität hineinpaßte.
Konnte man sich so etwas einbilden?
Quinn wußte die Antwort
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