1053 - Die Rache der Geköpften
daß sie sich in eine relative Sicherheit brachte, denn die vollständige gab es bei diesem Gegner nicht.
Sie mußte raus aus ihrer Wohnung und sich dann in das kleine Café setzten. Außerdem hatten ihr die beiden Polizisten versprochen, sie anzurufen. Darauf setzte sie.
Die Zimmertür war geschlossen. Larissa hatte sie selbst zugezogen, um nicht in den Flur schauen zu müssen, wo sich die verdammte Lache ausbreitete.
Genau gegen diese Tür klopfte es.
Zweimal hörte sie das dumpf klingende Pochen. Larissa schrie auf, bevor sie erstarrte und auf die Tür schaute, an der sich nichts tat, denn sie blieb zu.
Das Pochen wiederholte sich nicht. Dafür passierte etwas anderes.
Die Frau glaubte, daß sich der Alptraum der vergangenen Nacht wiederholte, denn unter der Ritze drückte sich die verfluchte und widerliche rote Flüssigkeit hervor. Wie schon einmal war kein Geräusch zu hören. Völlig lautlos bewegte sich das Zeug weiter und drückte sich wie eine gefärbte Schlange über den helleren Parkettboden hinweg. Ein rötlicher, leicht zuckender Schlauch, völlig geruchlos, aber eklig und zugleich brandgefährlich.
Larissa Larkin bewegte sich nicht vom Fleck. Ihr war klar, daß sie gegen die andere Kraft nichts tun konnte. Sie gab hier den Ton an, und auch all ihre Vorsätze waren dahin. Sie würde nichts mehr in die Tat umsetzen können.
Das Zeug kroch weiter. Aus glanzlosen Augen starrte Larissa auf die abgerundete Spitze und entdeckte dort tatsächlich das abgemalte Gesicht.
Die Augen, die Nase, der Mund…
Sie wartete darauf, daß sich die Masse wieder aufrichtet wie in der vergangenen Nacht und dann mit ihr Kontakt aufnahm. Beinahe schon sehnte sie sich nach dieser Stimme, obwohl sie es mit dem Verstand nicht erklären konnte.
Die Masse blieb auf dem Boden flach liegen, aber sie blieb nicht stumm. Wie schon mal erlebt, hörte sie plötzlich die Worte, die in ihren Kopf eindrangen.
»Ich habe darauf gewartet, Larissa. Nur auf uns beide. Und du weißt, daß ich dich töten könnte. Ein Schlag, und dein Kopf wäre weg. Aber ich möchte dich nicht tot sehen, denn was man liebt, tötet man nicht. Ich hoffe, du hast mich verstanden.«
O ja, das hatte sie.
Was man liebt, tötet man nicht!
Dieser eine Satz hatte sich in ihrem Gehirn festgebrannt. Sie würde ihn nie vergessen können, aber sie dachte darüber nach, und es dauerte nicht lange, da rann ihr ein Schauer über den Rücken. Die Tatsache, von einem kopflosen Monstrum geliebt zu werden, darüber mußte sie erst einmal hinwegkommen. Sie würde es nicht schaffen, weil es einfach zu sehr neben der normalen Schiene lag.
»Warum höre ich nichts von dir, Larissa?«
Sie schnappte nach Luft. Dann würgte sie die Antwort hervor. »Ich… ich … kann nicht.«
»Doch, du kannst. Du bist nur etwas überrascht. Das soll uns nicht trennen. Ich habe dich schon immer begehrt, aber du hattest kaum einen privaten Blick für mich. Aber ich gebe nicht auf, das habe ich nie in meinem Leben getan. Ich bin ein Mensch, der auch nichts vergißt. Egal, wie und ob wir zusammenkommen, ich möchte dich nicht missen, und ich werde dich mitnehmen, Larissa.«
»Wie? Wieso mitnehmen?«
»Zu mir…«
Die Antwort ließ die Panik wie ein Woge in ihr hochschießen. Wieso konnte sie zu einem Toten mitgenommen werden? Zu einer Person ohne Kopf? Das war unmöglich. Tote lagen in Gräbern, und die Vorstellung, in einer derartig kühlen Höhle zu liegen, machte sie fast wahnsinnig.
Larissa hatte Mühe, nicht loszuschreien. So gut wie möglich riß sie sich zusammen. Trotzdem stotterte sie. »Ich… ich … ich soll mit dir gehen? Wohin? Ich …«
»Du fährst hin.«
»Aber…«
»Du wirst dich in dein Auto setzen und immer daran denken, daß ich in deiner Nähe bin, auch wenn du mich nicht siehst. Du hast mich hier auch nicht gesehen. Trotzdem bin ich zu dir gekommen und habe mit dir Kontakt aufgenommen. Setz dich in dein Auto. Wenn das geschehen ist, werde ich dir alles weitere sagen.«
Die Masse »sprach« nicht mehr weiter. Sie blieb auf dem Boden liegen, und Larissa schaute zu, wie sie sich wieder zurückzog. Hinein in den Flur, bis auf den letzten Rest.
Unbeweglich stand Larissa da und starrte ins Leere. Sie wußte nicht, was sie denken sollte. Obwohl man ihr Beschied gesagt hatte, lief alles an ihr vorbei. Sie kam mit den Realitäten nicht mehr zurecht. Ihr normales Leben war von reinem Wahnsinn übernommen worden. Ein Schauer nach dem anderen jagte über ihren Körper
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