1055 - Vampire, Karina und wir
nicht so gut getroffen. Der Schlag streifte nur ihr Gesicht, aber die Schmerzen rasten trotzdem von der rechten Wange her durch ihren Kopf und machten Karina benommen.
Sie verlor etwas den Überblick. Wußte aber auch, daß sie sich keine Schwäche erlauben konnte, zudem der Killer sofort nachsetzte. Er ließ seiner Wut freien Lauf. Sie hörte ihn kreischen, er holte wieder aus, um sie zu Boden zu schlagen.
Karina sackte zusammen.
Die Schläge erwischten sie nicht.
Dafür war Franco nahe an sie herangekommen, So nahe, daß sie zupacken konnte, und sie umklammerte mit einem blitzschnellen Griff seine Beine dicht über den Füßen.
Dann schrie sie ebenfalls und riß Franco zu sich heran, der keinen Halt mehr hatte und nach vorn weg und dabei über Karinas Kopf fiel. Sie hörte den dumpfen Aufschlag und wußte zugleich, daß der Mann auf einen Gegenstand geprallt war.
Durch den eigenen Schwung war er ziemlich weit auf das Fenster zugeschleudert. Dort allerdings nicht gegen die Scheibe geprallt.
Den Kopf hatte ein anderer Widerstand getroffen.
Es war die kleine kompakte Heizung mit ihren zahlreichen Rippen, die für Francos Schädel zu hart gewesen war, denn er blieb zunächst benommen auf dem Boden liegen.
Karina Grischin brauchte einige Sekunden, um zu begreifen, daß etwas passiert war. Sie kniete am Boden, zitterte leicht, hörte ein Scharren und leichtes Stöhnen wie von einem Tier abgegeben.
Tier – dachte sie. Das war der richtige Ausdruck. Dieser Franco war ein Tier, und er war noch nicht besiegt. Er ruhte sich aus, er wartete ab. Er konnte kämpfen. Er hatte es nicht gelernt, aufzugeben.
Sie schnellte aus ihrer Haltung hoch. Drehte sich. Überlegte, was sie zuerst tun sollte. Die Waffen suchen oder sich um den Killer kümmern? Nein, Franco war wichtiger. Er mußte ausgeschaltet werden. Auch im Dunkeln konnte er zu einer Gefahr werden.
Sie schlich auf ihn zu. Er lag neben der Heizung. Sie wußte, daß er nicht bewußtlos, sondern nur benommen war. Noch im Liegen tastete sie ihn ab. Verdammt, irgendwo mußte er doch seine Waffe haben! Sie glaubte nicht daran, daß er sie verloren hatte.
Karina fand den Revolver am Rücken. Er steckte im Gürtel. Sie holte ihn hervor, und plötzlich ging es ihr besser, als sie das kühle Metall der Waffe spürte. Die Mündung preßte sie gegen den Nacken des Mannes und hockte sich auf ihn.
»Okay, Killer!« flüsterte sie. »Ich weiß, daß du nicht bewußtlos bist. Angeschlagen nur, okay, aber du wirst reden können.« Sie drückte härter mit dem Waffenlauf zu. »Und es wäre verdammt schlecht für dich, wenn du dein Maul nicht aufmachst.«
Sie spürte sein Zucken. Dann bewegte er den Kopf zur Seite, damit sein Mund freilag. »Scheiße, ich habe dich unterschätzt, Russin.«
»Das passiert vielen.«
»Gut. Was willst du wissen?«
»Es geht mir um die Vampire, hörst du? Wir haben sie gesehen. Eine Frau und zwei Männer. Sie sind nicht mehr im Bunker, das weiß ich.« Es war ihr jetzt egal, ob sie Informationen preisgab oder nicht. Sie wollte endlich Klarheit haben. »Da sie sich nicht mehr in ihrem Versteck befinden, müssen sie woanders sein. Und du wirst mir sagen, wo ich sie finden kann, und zwar schnell, denn die Zeit drängt.«
»Ich? Warum?«
»Weil du es weißt.«
»Was willst du denn von ihnen?«
»Ich will sie gern wiedersehen. Ich möchte ihnen guten Tag sagen!« Ihre Stimme verstärkte sich, aber die zischenden Worte blieben. »So, wo sind sie?«
»Nicht weit von hier.« Er lachte sogar.
»Hier im Haus, nicht?«
»Im Keller!«
»Wunderbar, Franco. Ich habe es mir gedacht. Dann ist ja alles klar.«
»Moment noch, Russin. Du hast falschgespielt, nicht wahr? All die Zeit über hast du mich und die anderen getäuscht. Du bist nicht die nette Leibwächterin und Frau gewesen, als die du dich ausgegeben hast. Das habe ich geahnt. Jetzt weiß ich es, verflucht!«
»Ja, du hast recht. Ich war es nicht. Ich habe mein eigenes Spiel eingefädelt.«
»Sogar mit Stromausfall.«
»Auch damit, Franco.«
Karina stellte fest, daß er dabei war, seine Schwäche zu überwinden. Da sie den direkten Kontakt mit ihm hatte, konnte sie spüren oder fühlen, wie sich seine Muskeln spannten. Er machte sich bereit, er wollte nicht aufgeben. Dabei schien es ihn nicht zu interessieren, daß die Mündung der Waffe gegen seinen Nacken stieß.
»Willst du, daß ich dich in den Keller führe? Es wäre gut. Ich kenne den Weg. Du kannst sie sehen. Ich zeige sie dir gern,
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