1058 - Vampir-Chaos
gelenkt, erschien die Gestalt des Blutsaugers. Es war einer von Costellos Leuten, der sich in die Höhe schraubte und dabei nicht allein war, denn er hielt mit beiden Händen einen jungen Farbigen gepackt, der sich nicht wehren konnte, da er apathisch im Griff des Wiedergängers hing. Er wurde durchgeschüttelt, sein Kopf pendelte dabei von einer Seite zur anderen, und seine Augen sahen aus wie Kugeln.
Der Untote rückte sich sein Opfer zurecht. Er war so bleich. Das Gesicht sah kantig aus, und die Nase darin wirkte wie ein unten breitgeschlagener Klotz. Er hatte einmal zu Costellos großen Kraftprotzen gehört. Jetzt war davon nicht mehr viel zurückgeblieben. Er wollte nicht mehr schlagen, sondern trinken.
Der Mund stand offen wie das Maul eines Fisches, der auf dem Trockenen lag. Nur so weit wie möglich öffnen, um auch perfekt zubeißen zu können. Die Regeln hatte er perfekt gelernt.
Ich schoß nicht, obwohl uns nur die Breite der Theke trennte. Dafür schlug ich mit der linken Hand zu und drückte die Finger in den Jackenstoff seiner Schulter. Ich bekam die Gestalt in den Griff und zerrte sie herum. Er wollte sein Opfer nicht loslassen, als hätte er sich darin festgebissen.
Ich zerrte stärker.
Er starrte mich an!
Eine Chance ließ ich ihm nicht, denn zwischen unseren Gesichtern erschien für einen winzigen Augenblick das Kreuz wie eine Geisterscheinung. Daß es keine war, bekam der Wiedergänger sehr schnell zu spüren, denn ich drückte ihm das Kreuz genau ins Gesicht. Es war breit genug, mein Talisman paßte perfekt und entfaltete augenblicklich seine Kraft.
Diesmal brüllte der Blutsauger. Er wuchtete seinen Kopf zurück.
Viel zu spät für ihn, denn da zeichnete sich bereits der Umriß des Kreuzes auf seiner blassen Haut ab.
Es war sein Stigma, sein Zeichen des Todes, denn er war nicht mehr in der Lage, sich auf den Beinen zu halten. Er zuckte zurück, prallte gegen das Regal und fiel ebenso zu Boden wie der junge Farbige, den ich im letzten Augenblick hatte retten können. Im Gegensatz zu dem Mafioso würde er wieder erwachen.
Drei Vampire in der Disco! Waren es alle gewesen oder trieben sich noch mehr dieser Gestalten herum?
Ich drehte mich und blieb nahe dem Tresen stehen. Ich wollte so viel wie möglich sehen, doch das verdammte Licht behinderte mich noch immer.
Schatten, bunte Helligkeit, ein ewiges Wechselspiel, an das ich mich nur schwer gewöhnen konnte. Ich sah die Besucher, die nicht mehr nur tanzten, denn auf der Fläche hatte sich eine Gruppe junger Leute gebildet, die den vernichteten Vampir umstanden.
Plötzlich verstummte der Sound!
Das passierte so schnell, daß es eine Weile dauerte, bis es alle mitbekommen hatten. Es war ungewöhnlich still geworden. Die Lichtkugeln drehten sich nach wie vor, und auch die anderen Strahlen huschten wie Blitze durch den großen Keller. Genau das trug dazu bei, die Stimmung noch kälter und irgendwie unheimlicher zu machen. Es wurde gesprochen, geflüstert, auch gestöhnt, aber diese Laute waren nichts im Vergleich zu der verstummten Musik.
Es gab nur einen, der sie abgestellt hatte. Der Discjockey. Er war hier der Chef. Auf ihn hörte man. Er konnte die Menschen nach seinen Vorstellungen beeinflussen.
Ich war nicht stehen geblieben und ging weiter. Dabei schlug ich einen Bogen, denn ich wollte mich dem Platz des Discjockeys von der Seite her nähern. Mein Blickfeld war sehr schnell frei geworden, und so sah ich ihn tatsächlich hinter seinem Pult stehen. Hoch aufgerichtet, ein Mikro in der Hand und dicht vor seinen Lippen.
»He, ihr müßt herhören. Es ist eine Scheiße, was hier passiert ist.«
Er hatte sich noch immer nicht in der Gewalt und mußte mit den Folgen dessen kämpfen, was er erlebt hatte. Bei und nach jedem Wort blies er in das Mikro hinein. So wurde jeder seiner Atemzüge übertragen und erreichte auch den letzten Winkel des Kellers.
Worte können manchmal eine größere Panik auslösen als Taten.
Noch war der DJ nicht konkret geworden. Ich wußte nicht, was passierte, wenn er die Wahrheit sagte, und genau das hatte er wohl vor.
Dann konnte es zu einer Panik kommen, denn was der DJ sagte, das war für die Disco-Fans so etwas wie ein Evangelium.
Ich mußte das verhindern und ging noch schneller.
Einige Besucher kriegten sich nicht mehr ein. »Scheiße, hier liegt jemand, der sieht wie tot aus!«
Zum Glück hatte er nicht in ein Mikro gerufen, so daß er nicht von allen gehört wurde.
Der Discjockey antwortete. Er
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