106 - Atomgespenster
Ich war beim Wäscheaufhängen.
Tom stand neben mir.
Plötzlich hörte ich es zischen und sah, wie
eine lange Flamme an einem Bettlaken emporzüngelte. Ich war erschrocken und
überzeugt davon, daß Tom in seinem Scherz wohl etwas zu weit gegangen war und
eine Kerze an das Wäschestück gehalten hatte.
Aber - er hielt nichts in der Hand. Er stand
ebenso verwirrt und erschrocken da wie ich.
So fingen die ersten sichtbaren Zeichen an.
Aber daß außergewöhnlich oft in unserem Haus elektrische Sicherungen
durchbrannten oder Glühbirnen ihren Geist aufgaben, hatte ich davor schon
beobachtet .«
X-RAY-3 nickte nachdenklich und stellte
weitere Fragen, ohne den Blick von dem selbstvergessenen Spiel des Jungen zu
wenden.
»Sie lebten - ehe Sie nach Knoxville kamen -
in Mealburg, wenn ich recht unterrichtet bin ?«
»Ja, Mister Brent, wir gehörten zu denen, die
evakuiert wurden. Wir hätten schon früher dort Weggehen sollen .«
»Aus Angst vor dem Atomkraftwerk?«
»Schon ziemlich früh ging das Gerücht um, daß
dieses Werk sehr schlampig und unter Umgehung der elementarsten
Sicherheitsvorschriften gebaut worden wäre. Da haben einige Leute auf Kosten
der Gesundheit und des Lebens anderer wieder schnell viele Dollars machen
wollen. Und das ist ihnen auch geglückt. Es kam zu einem Unfall, und der war
beträchtlich. Rund achttausend Menschen waren davon betroffen. Ich gehe davon
aus, daß Toms seltsame Anlage mit dem Unfall im Atomkraftwerk zu tun hat. Ich
wurde damals - wie viele andere schwangere Frauen auch - eingehend im
Krankenhaus untersucht und nach zwei Tagen entlassen. Es sei alles in Ordnung,
hieß es damals .«
»Aber Sie denken, daß nichts in Ordnung war,
nicht wahr? «
»Ich habe schließlich allen Grund dazu. Tom
ist kein normales Kind. Nach der Geburt war ich glücklich, als ich hörte, er
sei völlig gesund. Er hatte keine äußerlich erkennbaren Schäden, und auch alle
Organe waren normal ausgebildet und arbeiteten richtig. Aber Menschen können
auch Schaden an ihrer Seele und ihrem Geist nehmen. Mutationen können
vielseitig auftreten .«
Sie sprach von Mutationen. Durch Strahlung
wurden die empfindlichsten Bausteine des menschlichen Körpers, die Gene, in
denen der gesamte Bauplan des Lebens enthalten war, geschädigt.
Erbveränderungen, sogenannte Mutationen, traten auf. Es gab solche inzwischen
überall auf der Welt und im Bereich jeder Lebensform. Bei Tieren und auch bei Pflanzen.
Mrs. Sullivan fuhr zu sprechen fort, ohne daß
Larry eine entsprechende Frage stellte oder sie veranlaßte.
Die Frau wirkte weniger scheu und ernst. Es
schien, als würde die Nähe ihres sympathischen unkomplizierten Besuchers sich
auch auf ihren Stimmungszustand auswirken.
»Bei uns sah alles ganz gut aus. Andere
Mütter, die ebenfalls in Knoxville entbanden, in Mealburg lebten, ehe das
Unglück die Luft verseuchte, und mit denen ich in Verbindung stand, hatten
weniger Glück als ich. Mir sind Fälle von Verkrüppelungen und sogar Totgeburten
bekannt. Dies alles wurde nie groß propagiert, was einen nicht verwundert.
Niemand wollte einen Bezug zu den Vorfällen in Mealburg herstellen.
Ich glaube, daß Dr. Funner, der die
Frauen-Abteilung im hiesigen >Central Hospital < leitet, Ihnen hier mehr
mitteilen könnte. Funner hat sich in uneigennütziger Weise für diese armen
Frauen eingesetzt. Er war einer der wenigen Arzte , die
an vorderster Front schlimme Dinge erlebten. Ich habe ihn kürzlich auf Toms
> Veranlagung < angesprochen .«
»Und - was war seine Meinung ?«
»Er denkt, daß ich den Dingen ein zu großes
Gewicht beimesse. Das sei eine zwar außergewöhnliche, aber sicher
vorübergehende Erscheinung .«
»Hatte Dr. Funner selbst die Gelegenheit,
Ihren kleinen Sohn aktiv zu erleben ?«
»«Ja.«
»Wie war seine Reaktion ?«
»Er war fasziniert, konnte es aber nicht
erklären. Er sei Mediziner und kein Spezialist für parapsychologische
Erscheinungen. Er schloß allerdings nicht ganz aus, daß Toms besondere
Fähigkeit eine gewisse Mutation darstellen könne .«
»Festgelegt hat er sich also nicht, Missis
Sullivan ?«
»Nein.«
Larry stellte noch einige gezielte Fragen,
die die Frau ihm aufmerksam und eingehend beantwortete.
So ließ er sich auch die Namen jener Frauen
geben, die etwa in der gleichen Zeit ihre Kinder zur Welt brachten wie Mrs.
Sullivan.
Einige Namen hatte die Frau sofort parat,
andere wollte sie noch herbeischaffen.
Unter den Genannten befand sich auch der Name
einer gewissen
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