106 - Das Ghoul-Imperium
Herzschlag später wurde mir schwarz vor den Augen. So schnell wirkt nur magisches Gift! Das war das letzte, was ich denken konnte. Dann wußte ich nichts mehr…
***
Jubilee befand sich tief unter der Erde. Der Mann, der sie überfallen hatte, war bei ihr. Sie war zu sich gekommen, als er sie über den Friedhof getragen hatte.
Er hatte eine Gruft mit ihr betreten, war behäbig steinerne Stufen hinuntergestiegen und hatte die Hälfte einer Granitwand geöffnet. Er war mit seiner Last durch diese Öffnung gegangen und hatte sie hinter sich wieder geschlossen.
Wieder war er Stufen hinuntergestiegen, und schließlich hatte er mit dem jungen Mädchen sein Ziel erreicht: einen unterirdischen Raum, feucht und kalt, nach Moder riechend.
Auf dem Boden standen kleine Schalen, in denen sich brennendes Öl befand. Sie waren um einen großen Kreis herum aufgestellt. Innerhalb einer schwarzen Doppellinie befanden sich magische Zeichen und Symbole, und das Schreckliche an dieser Szenerie war, daß in diesem Kreis drei tote Mädchen lagen.
Eines davon war Eartha Raft!
Als Jubilee die einstige Freundin sah, hätte sich ihrer Kehle beinahe ein lautes Schluchzen entrungen. Sie konnte den Laut nur mühsam unterdrücken.
Der Mann sollte nicht wissen, daß sie ihr Bewußtsein wiedererlangt hatte. Das Verrückte an der Sache war, daß der Mann nicht Answard Brewster war.
Ein Vampir schien er auch nicht zu sein, sonst hätte er schon längst seine Zähne in Jubilees Hals geschlagen. Aber eine Verbindung zwischen ihm und Answard Brewster gab es, das bewies die tote Eartha Raft.
Jubilee nahm an, daß sie einem Vampirdiener in die Hände gefallen war.
Die drei toten Mädchen wiesen alle die gleiche Brustverletzung auf. Alle drei waren von Anward Brewster zuerst zu Vampirinnen gemacht und dann vernichtet worden.
Aus welchem Grund hatte Brewster das getan?
Jubilee fiel auf, daß die Mädchen in einer bestimmten Formation in jenem Kreis lagen. Wenn sie sich nicht irrte, war im Kreis noch Platz für zwei weitere Opfer.
Sie lagen auf dem Rücken, Arme und Beine abgespreizt, so daß Hände und Füße jene der Nachbarin berührten. Ihre Köpfe wiesen auf das Zentrum des Kreises.
Jubilee schauderte. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit würde auch sie bald tot in diesem magischen Kreis liegen. Sie erinnerte sich an Earthas Worte.
Nachdem sie zur Vampirin geworden war, konnte sie ihrem Meister entwischen und in der Chichester Road erscheinen. Geplant war das von Answard Brewster nicht gewesen. Es war eine Panne.
Der Mann ließ Jubilee in diesem Moment von der Schulter gleiten. Ich darf hier nicht bleiben! schrie es in dem jungen Mädchen. Ich muß zu fliehen versuchen!
Kaum hatte der Kerl sie losgelassen, da flitzte sie hoch. Er hatte nicht damit gerechnet und stieß einen überraschten Laut aus. Dann wollte er sie ergreifen, doch Jubilee brachte sich vor seinen klobigen Händen in Sicherheit.
Sie drehte sich von ihm weg und rannte an ihm vorbei. Er hatte es nicht eilig, ihr zu folgen. Langsam, fast bedächtig wandte er sich um.
Er war abstoßend häßlich. Seine Augen lagen in tiefen Höhlen, und graue Furchen zogen sich vertikal über seine Wangen. Er hatte wulstige Lippen und einen kahlen Schädel.
Wenn es das Klischee vom Henkersknecht gab, entsprach dieser Mann ihm voll und ganz. Mit schweren, stampfenden Schritten setzte er sich in Bewegung.
Jubilee erreichte über die Stufen die graue Steinquadermauer. Wie ließ sie sich öffnen? Gab es einen Knopf? Einen Hebel? Jubilees zitternde Hände wischten über den kalten Stein.
Sie hörte den Kerl näherkommen und suchte immer verzweifelter nach einer Möglichkeit, den Durchgang zu öffnen.
Der Mann legte seine Pranke auf Jubilees Schulter. Er riß sie herum. Sie nützte den Schwung und trat den Kerl zwischen die Beine. Er hätte zusammenklappen müssen, zeigte jedoch nicht die geringste Wirkung.
Er konnte kein Mensch sein. Kein »normaler« Mann hätte diesen Tritt ausgehalten. Der Kerl packte Jubilee fest und riß sie mit sich.
Er stieß sie zu Boden. Sie schlug mit dem Kopf gegen die Wand und war benommen. Hart setzte ihr der Mann das Knie auf den Körper, und dann fesselte er ihr zuerst die Arme und dann die Beine.
Wütend, mit zornsprühenden Augen, setzte Jubilee sich auf, Sie starrte den Vampirknecht haßerfüllt an. Tränen glänzten in ihren Augen. »Warum fesselst du mich? Warum bringst du mich nicht gleich um, du Kretin!« schrie sie ihm ins häßliche
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