1061 - Die Macht der Rhein-Sirenen
sich von Patienten erklärt bekomme.«
Harry Stahl nickte und hielt dem Professor trotzdem ein Gegenargument vor. »Sie haben noch nicht den Beweis für das Gegenteil erbringen können. Einen Beweis, daß es so etwas nicht gibt.«
»Gut gedacht, Herr Stahl. Ich glaube nicht an das, was man so allgemein Himmel nennt. Das Gegenteil allerdings kann ich auch nicht beweisen. Es verhält sich mit den schon klinisch tot gewesenen Menschen ebenso, die von einem langen Tunnel erzählen. Vom herrlichen Licht, von den blühenden Wiesen, die auf sie warten, und wo dann die nahen Verwandten stehen, um sie abzuholen. Ich habe keine Beweise und bin deshalb skeptisch. Natürlich auch, was Frau Klose und deren Verbindung zu der längst verstorbenen Hildegard von Bingen angeht. Man liest doch genug über Geistheiler, die durch eine bestimmte, ihnen zugetane Person aus dem Jenseits wirken und immer genug dumme Menschen finden, um eine Sekte zu gründen. Da machen sich die Geistheiler reich, und die Mitglieder der Sekte schauen in die Röhre.«
»Ich gebe Ihnen recht, Professor, das ist mir alles bekannt. Nur habe ich in meinem Beruf auch das Gegenteil erlebt, und zwar so stark, daß ich davon überzeugt bin.«
»So kommen wir nicht zusammen.«
»Ich bin auch nicht gekommen, um Sie von Ihrer Überzeugung loszueisen, mir geht es mehr um Fakten, die Sie auch nicht in Frage stellen können. Fest steht, daß Hildegard Klose aus dieser Klinik geflohen ist.«
»Leider.«
»Jetzt möchte ich von Ihnen wissen, ob sie irgendwelche Anlaufstationen kennen. Orte, an denen ich sie finden kann. Die Hildegard Klose vor ihrer Einlieferung hier gern aufgesucht hat. Steht darüber etwas in den Akten?«
»Nur wenig. Sie war ja allein. Keine Verwandten. Trennung von der Familie, wie auch immer. Mir ist nur bekannt, daß sie immer gern Kirchen und Klöster aufgesucht hat. Bei den Nonnen fühlte sie sich wohl. Sie hat dort auch gelebt. Allerdings in verschiedenen Klöstern, bis sie sich hier in der Gegend aus den ihr bekannten Gründen schließlich niedergelassen hat. Mehr kann ich Ihnen auch nicht sagen. Sie können gern eine Fotokopie er Unterlagen haben.«
»Nein, nicht nötig, danke.«
»Pardon, ich vergaß Ihre Beziehungen.«
»Die sind nicht so gut. Manchmal möchte ich gern mehr wissen. Jedenfalls werde ich sie suchen und die verschwundenen Frauen ebenfalls.«
»Wie viele sind es denn?«
»Acht!«
Es sah so aus, als wollte der Professor von seinem Stuhl hochschnellen. Im letzten Augenblick klammerte er sich fest und stierte Harry Stahl aus großen Augen an. Sprachlos.
»Sie haben sich nicht verhört. Es waren acht.«
Professor Münzer atmete tief aus. »Aber davon hätte ich hören oder lesen müssen.«
»Nein, so ist das nicht. Zwei Frauen sind es hier aus Bingen. Die anderen sechs stammen aus dem Ausland.«
»Und… ahm … woher wissen Sie das?«
Harry Stahl lächelte. »Es gibt zwar offiziell noch keine Europolizei, aber hinter den Kulissen arbeiten wir schon zusammen und tauschen auch Daten aus. Denken Sie an das Internet und so weiter. So haben wir dann erfahren, daß nicht nur Susanne Heller und Verena Kluge verschwunden sind.«
»Moment mal. Sie wissen genau, daß die anderen Fälle mit diesen beiden hier in einem Zusammenhang stehen?«
»Ja.«
»Wie ist das möglich?«
»Durch die Aussagen.«
»Aber nicht die der Verschwundenen?«
»Nein. In London hat es ein Freund von mir selbst erlebt. Bei den anderen waren es die Verwandten. Die Verschwundenen haben mit ihnen über die Erscheinungen geredet. Da stimmen die Details genau überein. Ich gehe davon aus, daß Hildegard Klose sogar international tätig ist. Das sehe ich nicht als Übertreibung an.«
Der Professor stieß die Luft aus und strich durch seine strubbeligen Haare. »Tut mir leid, aber da komme ich nicht mit. Das ist wohl nicht mein Gebiet.«
Harry winkte ab. »Macht nichts, dafür bin ich ja da. Ich bedanke mich trotzdem bei Ihnen, denn ich weiß jetzt, daß ich Frau Klose hier nicht zu suchen brauche.«
»Das kann ich nur unterschreiben.«
Für Harry Stahl war das Gespräch damit beendet. Ihn drängte es, zurück nach Bingen zu fahren. Er hatte einfach das Gefühl, dort gebraucht zu werden.
»Sie haben zu tun, Professor, ich ebenfalls. Noch einmal vielen Dank für Ihre Auskünfte.« Er stand auf.
Auch der Arzt erhob sich. »Viel hat Ihnen meine Hilfe ja nicht gebracht, Herr Stahl. Und ich möchte auch nicht in Ihrer Haut stecken oder Ihren Job
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