1064 - Horror-Line
allerdings brauchte Candy nicht zu rechnen. Sie war und blieb allein mit ihrer Beute. Und wenn doch jemand kam - ein Gärtner oder Totengräber - würde der blitzschnell sein Leben verlieren, das stand für sie fest.
Sie hielt den Mund offen. Tropfen für Tropfen rann daraus hervor, fiel nach unten und berührte die Kleidung der Leiche. Zwar schimmerten auch auf den Fingern des Ghouls die dünnen, hellen Spuren, doch verändert hatten sie sich nicht. Nach wie vor waren sie normal lang und durch die Nägel auch spitz.
Das Jackett war zugeknöpft worden. Sogar zweifach. Candy machte sich nicht erst die Mühe, die Knöpfe zu öffnen, sie zerrte sie einfach ab. Dabei tat sie ihr Freude durch ein glucksendes Lachen kund.
Jetzt hatte sie nur das Hemd vor sich. Auch die Krawatte, die sich als dunkler Streifen von dem Weiß abhob.
Wieder dienten die Fingernägel als Waffen.
Sie fetzten das. Hemd rücksichtslos entzwei, und zum erstenmal sah Candy die blasse Haut der Leiche. Ihr Mund öffnete und schloß sich. Die Gier zurückzuhalten, kam ihr beinahe unerträglich vor, aber sie wollte es richtig machen.
Deshalb hievte sie den starren Toten an und schaffte es, ihn von seinem Jackett zu befreien. Das schleuderte sie über den Grabrand hinweg. Auf den Kränzen blieb es liegen.
Weitermachen.
Die Hemdreste vom Körper wegzerren. Sie beeilte sich. Sie hatte das Gefühl, nicht mehr warten zu können. Hunger und Gier wurden übermäßig stark.
Schließlich lag der Oberkörper frei. Candy ließ den Toten fallen. Er schlug dumpf auf dem Sargboden auf, während der Ghoul über der Leiche eine gebückte Haltung einnahm, und die Schleimtropfen als stinkende Masse auf die Haut fielen.
Es war der Sieg.
Candy kletterte selbst auf den Toten. Mit angezogenen Knien hockte sie auf seinem Unterleib. Sie senkte ihren Kopf. Während sie das tat, öffnete sie auch den Mund.
Er klappte weit auf. Die Zähne hatten sich längst verändert. Zwischen denen im Unter- und denen im Oberkiefer hingen noch die Fäden fest. Sie wollten die Verbindung nie abreißen lassen.
Am Kopf würde sie beginnen.
Am Hals.
Dort war das Fleisch oder die Haut weich genug. Dann war das Gesicht an der Reihe und so weiter.
Candy setzte ihre Zähne an. Von ihrem schönen Gesicht war nichts mehr zu sehen. Es hatte sich in die Breite gezogen und wirkte durch den Schleim aufgequollen.
Sie setzte die Zähne an - und biß nicht zu!
Candy sah aus wie eine Statue. Innerhalb der winzigen Zeitspanne war sie in eine Starre gefallen, die sie sich selbst nicht erklären konnte. Etwas hatte sie gestört. Ein Vorgang, den sie nicht sah, nur spürte, der allerdings so prägnant und intensiv war, daß er selbst ihre Gier nach dem Fleisch des Toten überdeckte.
Sie bewegte sich nicht.
Nur abwarten.
Nichts tun.
Lauschen.
Nein, es war nichts zu hören, aber zu spüren. Unsichtbar wehte eine sich ihr nähernde Gefahr nicht nur über das Grab hinweg, sondern auch hinein. Etwas näherte sich, das gefährlich, wenn nicht sogar tödlich für sie war.
Candy richtete sich wieder auf. Noch verließ sie das Grab nicht und blieb zunächst einmal in ihrer neuen Haltung. Sie schnupperte. Sie wartete ab, sie wollte wissen, ob sie sich geirrt hatte und mußte sich leider eingestehen, daß dies nicht der Fall war.
Etwas näherte sich dem Grab und damit auch ihr.
Sie stellte sich auf die beiden Sargkanten und konnte so über den Rand des Grabs hinwegschauen, was ihr auch nicht viel brachte. Denn jetzt nahmen ihr die aufgetürmten Kränze die Sicht. Was außerhalb dieses Bereichs geschah, war nicht zu erkennen.
Candy mußte sich so schnell wie möglich entscheiden. Auf keinen Fall wollte sie länger in diesem Viereck bleiben. Hier fühlte sie sich unsicher. Draußen hatte sie mehr Bewegungsfreiheit. Sie wußte nicht, ob man ihr auf die Spur gekommen war. Und wenn, dann konnten es nur normale Menschen sein. Mit ihnen würde sie fertig werden.
Sie hatte ihre Hände bereits um den Grabrand gekrallt. Ein Ruck, eine knappe Bewegung, und sie war oben. Candy war schlau. Sie richtete sich nicht sofort auf, sondern blieb zunächst in Deckung der Kränze liegen. Wenig später kroch sie auf die Blumen, Kränze und Grabsträuße, hatte jetzt einen besseren Blick, richtete sich auch auf und schaute in die Runde.
Auf dem neuen Teil des Friedhofs hätte sie unter Umständen mehr gesehen. In dieser Gegend nicht.
Hier war alles dicht bewachsen. Es schützten Steine, auch Büsche.
Aber sie hörte die
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