1066 - Gesils Punkt
Anrufer war Kars Zeder. Er meldete: „Gesil hat ihren Besuch in der Kommandozentrale angekündigt. Sie wünscht Atlan zu sprechen."
„Du hast doch nicht in Atlans Namen zugesagt?" fragte Tanwalzen streng.
„Wie hätte ich ihr diesen Wunsch abschlagen können", erwiderte Kars Zedder verunsichert.
Atlan winkte ab, Gesils Besuch war ja auch in seinem Sinn. Die Versammlung löste sich auf. Niemand hatte etwas dagegen, daß sich Melborn der Gruppe anschloß und ihr in die Kommandozentrale folgte. Dort herrschte bereits große Aufregung. Alle erwarteten Gesil. Wie geschäftig und unbekümmert sie sich auch zu geben versuchten.
Atlan traf noch rasch einige Vorbereitungen. Tanwalzen gab einige unsinnige Befehle, um die Leute zu beschäftigen. Melborn amüsierte sich.
Und dann erschien Gesil. Sie schlug sie alle in den Bann. Auch die Frauen. Ihr Erscheinen kam dem einer Göttin gleich. Melborn fragte sich, ob sie als Fortuna kam, die ihr Füllhorn über die SOL ausschüttete, oder als Pandora, die alle nur denkbaren Schrecken ihrer Büchse entließ. Vielleicht hatte sie aber auch gar nichts zu geben, außer den schwarzen Flammen ihrer Augen, die sich in den Bewußtseinen der männlichen Betrachter niederschlugen.
Die Frauen tuschelten.
„Haltet keine Maulaffen feil", fuhr Tanwalzen seine Männer an. „An die Arbeit!"
Gesil trat vor Atlan hin. Sie sah ihn lange und durchdringend an, bevor sie sagte: „Du darfst deine kostbare Zeit nicht an diesem Ort vergeuden. Es bringt niemandem etwas ein, wenn du mit der SOL hier draußen in Warteposition bleibst. Du mußt etwas unternehmen."
„Was schlägst du vor?"
Gesil wandte sich ab und schritt zum Kommandopult. Atlan und seine Begleiter folgten ihr. Melborn mischte sich unter sie. Man schien ihn gar nicht zu bemerken, für sie existierte nur Gesil.
Sie nahm mit sicherer Hand einige Schaltungen vor und tippte in den Kurscomputer einige Daten ein, die gleich darauf auf dem Monitor sichtbar wurden.
„Die SOL muß diese Koordinaten anfliegen", sagte Gesil nur.
„Und warum?" fragte Atlan unbewegt.
„Etwas wird ...", murmelte Gesil wie zu sich.
Atlan lächelte verkrampft.
„Ich mußte schon den Grund für deine Forderung kennen, um sie zumindest in Erwägung zu ziehen. Was für eine Erklärung kannst du mir geben?"
„Dort ist der Anfang von Etwas", murmelte sie wieder und sah fast flehend zu ihm auf.
„Ich habe doch schon mit dir darüber gesprochen."
„Der Anfang von was?" wollte Atlan wissen.
„Die SOL muß diesen Punkt anfliegen", beharrte Gesil nur.
Jetzt riß Atlan die Geduld.
„Ich denke nicht daran!" rief er. „Wir haben Wichtigeres zu tun, als deinen Launen nachzugeben und einfach ins Blaue zu fliegen."
Tanwalzen tippte ihn an und wies auf den Monitor der Kurseingabe. Unter den Daten, die Gesil eingegeben hatte, leuchtete eine weitere Symbolkolonne auf.
„Sieh dir das an", sagte Tanwalzen. „Das sind die Koordinaten, von denen wir das vermeintliche Funksignal empfangen haben. Sie decken sich mit Gesils Angaben."
„Ich habe es mir fast gedacht", sagte Atlan ohne Überraschung. Er wandte sich wieder Gesil zu: „Warum soll die SOL diese Koordinaten anfliegen?"
Gesil bewegte lautlos die Lippen. Melborn las von ihnen ab: Die SOL wird hinfliegen.
Und Melborn hätte schwören können, daß er sich nicht irrte.
Gesil wandte sich ohne ein weiteres Wort um und kehrte zurück in ihre Kabine.
Sie hatte getan, was getan werden mußte.
Jetzt konnte sie nur noch warten.
Sie vertiefte sich wieder in den Anblick des faszinierenden Männerbildnisses, wahrend an Bord der SOL die Saat reifte, die sie gesät hatte ...
5.
Parabus hatte ein Problem. Es hieß Einsamkeit.
Er hätte nie geglaubt, daß ihm das Alleinsein jemals zu schaffen machen könnte.
Denn er hatte eine wichtige Aufgabe und meinte, keine Abwechslung zu benötigen, wenn er ganz darin aufginge.
Lange Zeit war alles gut gegangen. Aber irgendwann war Parabus an einem Punkt angelangt, wo er sich jemanden wünschte, mit dem er sich aussprechen konnte.
Seine Auftraggeber mußten etwas Ähnliches vorausgesehen haben, denn sie hatten ihm zweihundert Helfer zur Seite gestellt. Er hatte geglaubt, auf sie verzichten zu können. Denn sie waren keine Fachkräfte, sondern nur bessere Handlanger. Aber inzwischen hatte er dreiunddreißig von ihnen als Gesellschafter verbraucht.
Als es wieder einmal soweit war, daß er das Alleinsein nicht mehr ertrug, da weckte er einen von ihnen.
„Du
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