1071 - Die Urnen-Gang
sein. Wahrscheinlich hatte Sonja die ganze Wahrheit erfahren.
»Sie will wohl bei uns bleiben«, spottete der Fahrer. »Wahrscheinlich deshalb, weil wir so nett zu ihr gewesen sind.«
Darauf gab ich keine Antwort. Es mußte endlich eine Entscheidung fallen. Hier vertrödelten wir nur Zeit. Wenn Sonja ihre Schwester nicht mitnehmen wollte, dann würde ich mich um Kathy kümmern, denn weglassen wollte ich sie nicht mehr.
Ich öffnete die rechte Hintertür. Der Weg für Sonja war frei. Sie schwang auch schon ihre angelegten Beine herum, hatte den Kopf aber in Kathys Richtung gedreht. Sie wollte herausfinden, ob ihre Schwester mitging oder nicht.
»Geh nur«, sagte Kathy. »Ich weiß bestimmt, daß wir uns wiedersehen. Du kannst gehen…«
In diesem Augenblick schrie Sonja auf. Niemand hatte ihr etwas getan, trotzdem war der Schrei aus ihrem Mund gedrungen. Der Ausdruck ihres Gesichts erhielt panikartige Züge, sie zitterte plötzlich und war nicht mehr zu halten.
Mit einer Hand hatte sie sich auf dem Sitz abgestoßen und sich den richtigen Schwung gegeben.
Zuviel, denn sie fand keinen Halt mehr in der Enge. So stolperte sie nach vorn, und hätte ich meine Arme nicht ausgebreitet, um sie aufzufangen, wäre sie gefallen.
So lag sie plötzlich in meinen Armen, den Kopf angehoben, zitternd, aber bereit zu reden. Sonja suchte nach Worten. Jeder Buchstabe schien ihr schwerzufallen. Sie atmete auch heftig, erst dann konnte sie sprechen.
»Kathy… Kathy…!« keuchte sie. »Meine Güte, ich weiß nicht, was das ist. Aber sie atmet nicht mehr. Sie ist wie tot… sie… sie ist vielleicht auch tot…«
Das also war der Schock. Auch mich hatten die Worte hart getroffen, aber nicht geschockt. Suko und ich hatten Kathy ja schon erlebt und mit ähnlichem gerechnet. Wer aus Staub oder einem ähnlichen Material bestand, der brauchte auch nicht so zu reagieren wie ein normaler Mensch. Für Sonja aber mußte eine Welt zusammengebrochen sein, und sie war auch enttäuscht darüber, daß ich nicht reagierte. »Hast du es nicht gehört? Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe?«
»Doch!«
»Und das nimmst du so hin?«
»Nein, nehme ich nicht, Sonja. Aber zunächst bist du an der Reihe, denn du bist wichtiger.«
»Nein, nein, ich bin nicht wichtig. Ich lebe doch, aber ich lebe richtig und nicht wie sie.«
Es war eine verdammte Lage. Da fuhren drei Personen mit einer Gestalt spazieren, die im Prinzip zu den Zombies gehörte, aber kein direkter Untoter war.
Für mich stand fest, daß wir jemand wie Kathy nicht so leicht mitnehmen konnten. Es gab zwei Hindernisse. Der Fahrer und sein Beifahrer, die sich für meinen Geschmack viel zu passiv verhielten.
Es mußte etwas geschehen. Wir konnten hier nicht ewig stehen und für die beiden Männer die Spaßvögel sein.
»Hol du Kathy!« rief ich Suko zu.
Ich erhielt keine Antwort.
»Suko!«
Ein Lachen klang auf. Suko hatte es nicht abgegeben, sondern der Fahrer. Er brauchte nicht, viel zu sagen, ich wußte, daß wir hier nur zweiter Sieger waren, wie auch immer. Über meinen Nacken rannen unsichtbare Eiskugeln, und Sonja war für mich jetzt noch ein größeres Hindernis geworden.
Ich drückte sie von mir weg und lehnte sie gegen den Jeep. Meine Hand näherte sich heimlich der Waffe, doch die Stimme des Fahrers stoppte mich. »Dein Freund kann sich nicht melden. Vorläufig nicht mehr. Er ist ausgeschaltet worden…«
Ich drehte mich um.
Der Fahrer hatte sich halb aus dem Wagen gebeugt und grinste mich an. Eine Waffe hielt er nicht fest, das war auch nicht nötig. Nahe der Kühlerhaube des Wagens stand eine ebenfalls dunkel gekleidete Gestalt, die mich mit einer Maschinenpistole bedrohte und so aussah, als würde sie keinen Spaß verstehen…
***
»Kapiert?« fragte mich der Fahrer.
»Jetzt schon.«
»Wir sind eben besser, Mister. Wir sind Soldaten. Unser Major ist ein As. Er hat uns alles beigebracht. Auch Taktik, richtiges Verhalten im Feindesland. Da bewegen wir uns nun mal, ob du es nun glaubst oder nicht, Mister.«
»Was ist mit meinem Freund?«
Der Fahrer winkte lässig ab. »Der liegt flach. Er war zu sehr auf uns konzentriert und hat den Feind nicht gehört, der sich in aller Ruhe anschleichen konnte. Es hat ihn dann erwischt. Ein Schuß mit dem Giftpfeil, und die Sache ist vorerst erledigt.«
»Und wann erwischt es mich?«
»Keine Ahnung. Erst einmal wollen wir uns um profanere Dinge kümmern.« Damit war Sonja gemeint. »Los, Puppe, steig wieder ein!«
Sie
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