1072 - ...dann bete in der Hölle, Sinclair!
hätte es tun können, nahm davon jedoch zunächst Abstand. Wenn ich nicht hinschauen wollte, konnte ich den Kopf abwenden.
Mir fiel ein, daß ich noch nicht an der Tür gewesen war. Bestimmt war sie abgeschlossen. Trotzdem überprüfte ich die Tür und sah mich bestätigt.
Wieder zurück. Wieder mit dem leichten Geruch nach Verbrannten leben. Der Streifen hatte die Verbindung zwischen der Hölle und dem Körper hergestellt. Er war verglüht. Mein Kreuz war einfach zu mächtig gewesen, und auch weiterhin war es meine einzige Chance. Nur darauf konnte ich bauen, abgesehen von meinen eigenen körperlichen Kräften.
Noch war ich dankbar, daß dieser verdammte Major Blake es mir nicht abgenommen hatte. Ob er sich davor gefürchtet oder ob er es nicht entdeckt hatte, das war mir egal.
Ich wollte mich wieder hinsetzten, als ich jenseits der Scheibe eine Bewegung sah.
Dort kam jemand.
Diesmal war es nicht nur eine Person. Die offene Tür sah jetzt aus wie ein heller Schacht, und aus ihm trat Major Blake hervor. Er machte den Anfang. Zwei seiner Soldaten folgten ihm, und sie trugen zwischen sich eine leblose Gestalt.
Blake war also dabei, den ersten Teil seiner Prophezeiung einzulösen.
Und er hatte bereits in meinen Raum hineingeschaut. »Komm ruhig näher, Sinclair, damit du es dir anschauen kannst.«
Ich tat ihm den Gefallen, denn abwenden konnte ich mich noch immer.
Auch wollte ich ihm damit beweisen, daß ich vor ihm keine zu große Angst hatte. Dicht vor der Scheibe blieb ich stehen. Blake kümmerte sich nicht um mich. Er war dabei, seine beiden Leute zusammen mit der Leiche zu dirigieren.
Sie mußten auf den Rost und traten nicht so sicher auf wie ihr Chef. An einer bestimmten Stelle und ziemlich genau in der Mitte legten sie die Gestalt nieder.
Es war ein nackter Mann!
Schon älter, denn ihm waren die Haare ausgefallen. Eine Glatze mit verschrumpelter Haut ließ ihn aussehen wie eine alte Puppe. Er lag so, daß mein Blick sein Gesicht treffen konnte, in dem der Mund offen stand und darauf zu warten schien, einen letzten Schrei ausstoßen zu können.
Es war ein schlimmes Bild, und mein Zorn auf Blake, der sich jetzt locker umdrehte, verstärkte sich noch.
Er deutete auf mich. Sein Zeigefinger erinnerte dabei an eine starre Lanze. »Ja, Sinclair, das ist jetzt meine große Stunde. Du hast die Ehre, zuschauen zu dürfen, und ich würde dir raten, sehr genau hinzusehen. Ich will dir auch sagen, aber das hast du sicherlich bemerkt, daß der Mann nicht mehr lebt. Bei dir wird es anders sein. Dich brauche ich nicht erst aus der Leichenhalle zu holen. Du befindest dich in meinem Griff, und dich werde ich bei lebendigem Leib verbrennen.« Er lachte, und dieses Lachen klang irre. Als wären zahlreiche Dämonen in ihm erwacht.
Er war auch nicht mehr so steif und förmlich geblieben, sondern hatte mich geduzt. Wie man es eben bei Menschen macht, die einem unterlegen sind.
»Verstanden, Sinclair?«
»Ich denke schon.«
»Sehr gut.« Einen Finger legte er gegen sein Kinn. »Ach ja, da ist noch etwas. Es wird sehr schnell gehen. Das Feuer ist heiß und verdammt gewaltig.«
Ein letztes Winken, das seinen Leuten galt, ein Nicken für mich, das wissende und hämische Grinsen auf den Lippen, dann drehte er sich herum und folgte den beiden Männern, die bereits die offene Tür erreicht hatten.
Major Blake verschwand als letzter. Und diesmal drehte er sich nicht mehr um…
***
Er hatte mich allein gelassen, und ich fühlte mich auch verdammt allein.
Etwa einen halben Schritt stand ich vor der feuerfesten Scheibe. Ich starrte in die Verbrennungshöhle hinein, und mein Blick war auf den Toten gerichtet.
Er lag auf dem Rücken. Die Arme nicht flach an den Körper gedrückt, sondern von ihm abgespreizt, so daß es aussah, als hätte er auf dem Rost noch einen zusätzlichen Halt gefunden. Die Haut war so dünn, und er war abgemagert. Sein Alter war schlecht zu schätzen. Er mochte ungefähr achtzig Jahre alt sein, ein von der Krankheit gezeichneter Greis.
Noch tat sich nichts. Ich konnte mir vorstellen, daß Blake bewußt wartete, um mir Gelegenheit zu geben, mich mit dem Bild noch vertrauter zu machen.
In mir kribbelte es nicht. Ich stand sehr ruhig da. So glich auch ich einer Statue, nur mit dem Unterschied, daß ich atmete, der Mann auf dem Rost jedoch nicht.
Ich brauchte nicht hinzuschauen. Ich hätte mich auch ebenso abwenden können, das wiederum brachte ich nicht fertig. Ich blieb stehen wie angenagelt, als
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